Franz GĂ–RG

Tagliamento 2024(Sphärenausgleich)

Eine Kunstinstallation Am Fluss der Lichter,

Kunstexpertise: „Sphärenausgleich“ von Franz Görg am Tagliamento, 2024


Einleitung

Die Kunstinstallation „Sphärenausgleich“ des Künstlers Franz Görg, realisiert 2024 im ephemeren Flussbett des Tagliamento, steht als poetisches Manifest der Vergänglichkeit und des dynamischen Gleichgewichts natürlicher Kräfte. Verankert in der Tradition der Land Art, reflektiert das Werk Görgs intensive Auseinandersetzung mit dem Tal als Ort früher künstlerischer Prägung in den 1990er Jahren – eine Zeit, in der Pioniere wie Martin Rasp durch ihre Kurse eine Generation von Land-Art-Künstlern formten. Görgs Arbeit verbindet diese Wurzeln mit einer zeitgenössischen Sensibilität für ökologische Prozesse und spirituelle Energien.


 


Konzept und Materialien: Die Poetik des FlieĂźens

Zentrales Thema ist die Gegenüberstellung von Statik und Fluss. Görg inszeniert ein Spannungsfeld zwischen den ephemeren Bewegungen des Tagliamento-Wassers und den verharrenden Relikten seiner Ufer: Aufgetürmte Sanddünen, verankerte Wurzelgeflechte (als „Energieableiter“ bezeichnet) und schwebend arrangiertes Schwemmholz bilden ein choreografiertes Tableau. Das gesammelte Schwemmmaterial, teils vom Fluss geschliffen, teils vom Menschen geformt, wird zum Archiv vergänglicher Prozesse.
Das Licht, als immaterieller Akteur, verstärkt diese Dynamik: Spiegelungen auf der Wasseroberfläche brechen die Horizontlinie, projizieren flüchtige Muster auf die umliegenden Felsen und verweisen auf das Unsichtbare – die „energetischen Potenziale“, die Görg als untergründige Kraftfelder des Tales deutet.


Formale Gestaltung: Die Zahl FĂĽnf und rhythmische Dramaturgie

Görg strukturiert die Installation nach der Zahl Fünf, einem Leitmotiv, das sich in der Anordnung der Wurzelstelen, der Lichtpunkte und der Sandformationen wiederholt. Diese pentagonale Logik schafft eine „proportionierte Dramaturgie“, die an mathematische Naturgesetze (Fibonacci-Sequenz, Goldener Schnitt) anknüpft, aber auch spirituelle Symbolik (die Fünf als Elemente- oder Sinne-Zahl) evoziert. Der Rhythmus der Komposition – von dichten Materialansammlungen zu offenen Lufträumen – spiegelt den Puls des Flusses: Stauung und Entladung, Aufbau und Erosion.


Symbolik und Interpretation: Transzendenz des Vergänglichen

„Sphärenausgleich“ fungiert als temporärer Knotenpunkt im endlosen Kreislauf der Natur. Die Wurzeln, einst lebendige Verbindung zwischen Erde und Baum, werden zu Relikten einer vergangenen Ordnung, doch ihre Anordnung als „Energieableiter“ deutet auf eine metamorphotische Weiterführung: Sie leiten die Kraft des Wassers in den Boden, speisen sie zurück in den Kreislauf. Die Spiegelungen auf dem Wasser – mal chaosmalerisch zerrissen, mal spiegelglatt – symbolisieren die Dualität von Ordnung und Zufall, menschlichem Willen und natürlicher Autonomie.
Die finale „Entladung“, das unvermeidliche Weiterfließen des Wassers, das Wurzeln mitreißt und Licht bricht, wird zur Metapher für die Unabänderlichkeit von Zeit – eine Reminiszenz an Heraklits „Alles fließt“. Der Himmel, in der Wasseroberfläche verworfen, verliert seine Unendlichkeit und wird zum fragmentierten Spiegelbild, das die Illusion von Kontrolle entlarvt.


Schlussbetrachtung: Land Art als ökologisch-spirituelle Praxis

Franz Görgs „Sphärenausgleich“ ist mehr als eine Hommage an die Land-Art-Tradition – es ist ein zeitgenössisches Ritual, das die Brüchigkeit menschlicher Eingriffe in die Natur feiert. Indem er Materialien verwendet, die der Fluss selbst „freigibt“, unterstreicht er die Kolaboration zwischen Künstler und Umwelt. Gleichzeitig evoziert die Arbeit eine tiefe Spiritualität: Die inszenierte Landschaft wird zum Tempel, in dem Energieformen sichtbar, vergängliche Materie verewigt und der Betrachter zum Mitwisser eines kosmischen Gleichgewichts gemacht wird.
In einer Zeit ökologischer Krisen erinnert Görg daran, dass Kunst nicht gegen die Natur, sondern durch sie entsteht – ein Gedanke, der Martin Rasps Lehren ebenso verdankt ist wie der urgewaltigen Poesie des Tagliamento.

Factsheet

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