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Glastüfteln

In mehr als dreißig Jahren kreativer Basisarbeit habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht: Kinder haben einen Zugang zum Material Glas, der anders ist als bei Erwachsenen. Kinder sind spontan und einfallsreich. Und sie finden Lösungen, wo der planende und vorausschauende Verstand gerne verzweifelt.

Glasgestalten mit Kindern könnte ein Ansatzpunkt für ein langfristiges Interesse an Glasgestaltung werden. Manche Museen scheinen dies erkannt zu haben und bieten Workshops an, in denen erfahrene Glasbläser nach Kinderzeichnungen Glasgestalten. So begann man im Glasmuseum Tacoma WA (USA) im Jahre 2004 mit dem Kids-Design-Glas-Programm. Monat für Monat wurde aus den eingereichten Kinderzeichnungen eine ausgewählt, die dann von erfahrenen Glasbläsern dreidimensional umgesetzt wurde. Die glückliche Verbindung von kindlicher Fantasie mit hochentwickeltem technischem Know-How führte zu einer beachtlichen Präsentation im Museum und zu einer der erstaunlichsten Buchpublikationen, die mir in den letzten zwanzig Jahren begegnet ist (*). Ob aus dieser ambitionierten Initiative spätere Glasgestalter hervorgegangen sind, hofft man, ja, wüsste man nur allzu gerne.
 
„Glastüfteln“, wie es hier verstanden wird, meint etwas anderes, fundamentaleres. „Tüfteln“ meint ausprobieren, selber in die Hand nehmen und machen. Einfach machen und neugierig sein. Sehen was dabei herauskommt. Kinder mögen es, wenn man ihnen nicht gleich mit besserem Wissen im Wege steht. Der Begriff „Glastüfteln“ wurde geboren, als es darum ging, mit Kindern allererste Erfahrungen mit dem Material Glas zu machen. Warum ausgerechnet mit Glas? Weil es spannend ist, zu sehen, wie Glas sein kann und welche Eigenheiten es hat. Es geht also hier um Anregungen, nicht um viel mehr. Es sollen nicht kindliche Vorstellungen mit Hilfe von Experten gleichsam durch die Decke schießen. Vielmehr geht es Veränderungen, die ein Kind selber machen kann.
 
Flaschenrelief. Wegen der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der Gläser wurden die Flaschen nicht miteinander verschmolzen, sondern durch Klebetechnik miteinander verbunden. Foto: Wolfgang Schmölders
Flaschenrelief. Wegen der unterschiedlichen
Ausdehnungskoeffizienten der Gläser wurden
die Flaschen nicht miteinander verschmolzen,
sondern durch Klebetechnik miteinander
verbunden. Foto: Wolfgang Schmölders
Die folgenden heißen oder kalten Projekte sind für Kinder im Grundschulalter geeignet. Verwendbare Materialien sind Altglas, Glasscherben, Fensterglas, Spiegel. Eine minimale Ausstattung der Schule mit Werkzeugen umfasst Glasbrechzangen und Schutzbrillen. Steht ein Keramikofen (mit sauberer Ofenplatte!) zur Verfügung, können die „heißen Projekte“ angegangen werden.
 
 
Flaschen biegen. „Einmal Flasche immer Flasche“ gilt hierbei nicht. Flaschen können im Keramikofen aufrecht oder liegend verformt werden. Entscheidend ist die Wahl der Temperatur (zwischen 600 und 800°C) und das Trennmittel (teuer aber leicht zu handhaben und darum empfehlenswert ist das Trennpapier).
 
Glassterne. Trennpapier in Streifen schneiden und sternförmig übereinander kleben. Auf dem Trennpapier werden Glasstückchen mit Tapetenkleister fixiert. Eine zweite und dritte Schicht wird so aufgeklebt, dass keine Lücken entstehen. Es darf dabei kein Eckchen Glas überstehen, d.h. über das Trennpapier hinausstehen. Das Arbeiten auf dem Trennpapier erleichtert den Transport zum Ofen. Selbstverständlich können auch andere Formen (Häuser, Tiere etc.) aus Trennpapier ausgeschnitten werden und mit Glas belegt werden zum Verschmelzen.
 
Käfer und Spinne. Zwischen zwei oder mehr Glasstücke werden Drähte eingeschmolzen. Die überstehenden Enden werden zu Käfer- und Spinnenbeinen gebogen (Käfer: 6 Beine; Spinnen: 8 Beine).
 
Malglas. Malen mit farbigen Glaspulvern auf Glas. Zum schnelleren Trocknen kann ein Föhn eingesetzt werden. Verschmelzen mit der Malseite nach unten ergibt einen Glasüberfang. Vorsicht bei größeren (ab ca. 10 x 10 cm) Formaten: da kann es mit einem Keramikofen zu Verschmelzungsproblemen kommen.
 
(*) Kids Design Glass, Hg. Museum of Glass, Tacoma WA, 2009. 132 Seiten, mit Comic und CD. ISBN 978-0-295-98937-2. Die Gegenüberstellungen der Kinderzeichnungen und der Glasobjekte sind leider ohne Größenangaben. (Vgl. GH 4/09, 23)
 
Autor: Wolfgang Schmölders
Der Artikel wird im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit GLASHAUS – Internationales Magazin für Studioglas 1/2020 veröffentlicht.
Titelbild: Malglaskomposition mit Überfang. (Foto: Wolfgang Schmölders)

Galerie

Vorbereitung der Glassterne mit Floatglas. Foto: Wolfgang Schmölders
Vorbereitung der Glassterne mit Floatglas. Foto: Wolfgang Schmölders
Glasstern nach der Reliefverschemlzung. Foto: Wolfgang Schmölders
Glasstern nach der Reliefverschemlzung. Foto: Wolfgang Schmölders
Glasring aus Floatglas-Resten. Foto: Wolfgang Schmölders
Glasring aus Floatglas-Resten. Foto: Wolfgang Schmölders
Käfer und Spinne, Floatglas und Metalldraht. Foto: Wolfgang Schmölders
Käfer und Spinne, Floatglas und Metalldraht. Foto: Wolfgang Schmölders
Preparation of the Glass stars from float glass. Photo: Wolfgang Schmölders
Preparation of the Glass stars from float glass. Photo: Wolfgang Schmölders
Glass star after the relief fusion. Photo: Wolfgang Schmölders
Glass star after the relief fusion. Photo: Wolfgang Schmölders
Glass ring made from float glass remainders. Photo: Wolfgang Schmölders
Glass ring made from float glass remainders. Photo: Wolfgang Schmölders
Beetle and spider, float glass and metal wire. Photo: Wolfgang Schmölders
Beetle and spider, float glass and metal wire. Photo: Wolfgang Schmölders
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