Deutschland
Thomas Lucker
Thomas Lucker gibt sich nicht mit einzelnen Ebenen der Wirklichkeit zufrieden. Er verschränkt Dauerhaftes und Vergängliches, hält „in Stein gemeißelt“ fest, was nur für den Augenblick bestimmt war. Er verbindet dafür Stein und Fotografie. Seine belichteten Kalksteinreliefs sind immer Einblicke. In einen Moment des Lebens, der jeden Augenblick kippen kann. Hat es unsere Vergangenheit wirklich gegeben, welche Abbilder unseres Lebens und Erlebens tragen wir in uns herum? Welche Momente trägt uns unser Gedächtnis immer wieder vor, welche unterschlägt es, und welche Vergangenheiten und möglichen Zukünfte trägt jeder Augenblick in sich? Luckers Ausstellungen sind Kabinette aus versteinerten Schnappschüssen, freigelegte Schichten von Erinnerung, frei von Kontext wie das Gehirn eines Alzheimerkranken. Gerade dadurch erlangen sie eine beeindruckende Tiefenschärfe. „Steinarchiv“ nennt Lucker selbst seine Objekte. Er arbeitet mit Steinplatten, die selbst einst durch Sedimentation und Metamorphose entstanden sind, Zeugnisse des Lebendigen vor vielen Millionen Jahren. Die fotografische Schicht ist da wie die letzte, vergängliche, dünne Auflage des menschlichen Daseins im Kosmos. So spiegelt der künstlerische Prozess, in dem Steinarbeit, Belichtung, Farb- und Materialauflagen jeweils Sedimente erzeugen, die Art und Weise wider, wie unser Gedächtnis Erinnerungen abspeichert, überschreibt und modifiziert. „Unsere Erinnerung ist der Klebstoff, der das Leben zusammenhält“, sagt der Neurologe und Gedächtnisforscher Eric Kandell. Lucker würde ergänzen: Nur eine Version des Lebens. Eine von vielen.
Nani Habermalz 2013 THOMAS LUCKER ALL THAT FALL
Nani Habermalz 2013 THOMAS LUCKER ALL THAT FALL