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Stammes-Ritual

Der gebĂŒrtige Pole Jozek Nowak schafft seine berĂŒhmten Wesen aus Holz in stiller Abgeschiedenheit.

Holz ist einer der Ă€ltesten Werkstoffe der Kunst: Seine Geschichte reicht zurĂŒck bis zu den Dienerfiguren in den GrĂ€bern des Alten Ägyptens, zu deren Konservierung das trocken-heiße Klima Nordafrikas beitrug. In Europa erlebte die Holzschnitzkunst ihre BlĂŒtezeit in den prĂ€chtigen ChorgestĂŒhlen und Kruzifixen des Mittelalters und der Renaissance und in der Schnitzkunst Tilman Riemenschneiders. In der Neugotik lebte die Holzschnitzkunst wieder auf. SpĂ€ter bewunderten Gauguin und Picasso die archaische Magie afrikanischer und ozeanischer Masken. Dann kam Holz komplett aus der Mode. In der Skulptur brach die Zeit von Stahl und Bronze an. Von Holz ĂŒber Wald bis zum HinterwĂ€ldlerischen ist es seitdem semantisch nur ein kurzer Weg. Vielleicht auch deshalb fĂŒhlte sich die Leiterin der Kasseler documenta 13, Carolyn Christov-Bakargiev, 2012 in Kassel von einer Skulptur des KĂŒnstlers Stephan Balkenhol  „bedroht“. Eine Holzskulptur von Balkenhol, das sei „nicht documenta“, ließ sie verlauten. Oder andersherum: In einer Zeit steriler Apple-Ästhetik entfaltet Holz offenbar geradezu subversives Potential.

 

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Jozek Nowak, neben Balkenhol einer der besten deutschen Holzbildhauer, scheint das bewusst zu sein. Als er am Telefon verrĂ€t, er sei quasi im Wald aufgewachsen, ist sein Grinsen unĂŒberhörbar. Der Hintergrund: Nowak wuchs in einem Dorf im SĂŒden Polens auf, nahe dem Wintersportort Zakopane, sein Vater arbeitete als HolzfĂ€ller. Nowak, Jahrgang 1962, erinnert sich gern an diese Zeit, als Beil und SĂ€ge seine „ersten Spielzeuge waren.“ Als junger Mann („Ich war etwa 23 Jahre alt“) gewĂ€hrten ihm Freundinnen einen Einblick in Krakaus Akademie der Bildenden KĂŒnste. Als er dort ein Bildhaueratelier betrat, „machte es Klick“. Er wusste, dass die Bildhauerei der Weg war, den er einschlagen wollte. Er schrieb sich an derselben Akademie ein und schloss sein Studium Jahre spĂ€ter mit einem Diplom ab. Dem Werkstoff Holz war er treu geblieben.

ZunĂ€chst gestaltete er abstrakte Formen. Als er vor fĂŒnfzehn Jahren mit seiner Frau, einer GemĂ€lderestauratorin, nach Pöcking am Starnberger See zog, entdeckte er seine Vorliebe fĂŒr das Figurative. „Das kam daher, dass ich viel auf unsere Tochter aufpassen musste. Sie und die Nachbarskinder waren meine ersten Models“, erinnert er sich. Einmal etwa sĂ€gte er aus einem Stamm drei Kinder aus. SpĂ€ter fertigte er auch von Erwachsenen in seiner Umgebung Bildnisse an.

„Ich beobachte gerne Menschen, und ich portrĂ€tiere gern“, sagt er. Eine KĂŒnstlerin ĂŒberredete ihn zu seiner „Messengers“-Serie, die ihn zwei Jahre beschĂ€ftigt hielt: eine Reihe lebensgroßer, ganzfiguriger Holzdarstellungen von Friedensbotschaftern des 20. und 21. Jahrhunderts. Albert Schweitzer, Bob Marley, Dalai Lama, Mahatma Gandhi, Malcom X, Martin Luther King, Miriam Makeba, Mutter Theresa, Nelson Mandela, Rigoberta MenchĂș, Rosa Parks, Wangari Maathai und die Burmesin Aung San Suu Kyi gehören der illustren Rune an. Diese Plastiken wurden in verschiedenen LĂ€ndern ausgestellt.

Gewöhnlich stellt Nowak lieber Menschen aus dem Alltag dar. Seit 2016 gehörten dazu auch Obdachlose. „Sie strahlen etwas ganz Besonderes aus, eine spezielle Energie und Körperhaltung.“ Mit einigen kam er ins GesprĂ€ch: „Sie erzĂ€hlen mir ihre Geschichte. An einem Punkt in ihrem Leben ist etwas schiefgelaufen, dann folgte ein Domino-Effekt. Mittlerweile mögen viele von ihnen ihre Freiheit. Das ist ziemlich interessant.“

AuftrĂ€ge erhĂ€lt er von Privatleuten und Institutionen. Das Bistum Hamburg gab bei ihm eine Skulptur des polnischen Papstes Wojtyla in Auftrag, fĂŒr das polnische Konsulat in MĂŒnchen schuf er zum 200. Geburtstag des Komponisten FrĂ©dĂ©ric Chopins ein Denkmal, in Possenhofen am Starnberger See verewigte er fĂŒr die Gemeinde Österreichs Kaiserin Sissi, die eng mit dem Ort verbunden war. Die Preise fĂŒr seine Werke ziehen an: Galerien handeln sie inzwischen zu Preisen zwischen 14 000 und 18 000 Euro.

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Technisch geht er in zwei Schritten vor. Die groben Umrisse einer Figur sĂ€gt er aus, den Feinschliff besorgt er mit einem Beil. FrĂŒher wĂ€hlte Jozek Nowak fĂŒr seine Skulpturen StĂ€mme aus Eichenholz, heute zieht er Pappel vor. „Sie wiegt weniger als Eiche und hat freundlichere Farben.“ Eichenholz empfindet der KĂŒnstler heute als zu dunkel. Eine besondere Pflege bedĂŒrfen seine Werke nicht. „Man lĂ€sst die Skulptur am besten in Ruhe. Pflegemittel schaden nur.“ In InnenrĂ€umen könnten sie ewig stehen, versichert er. Im Freien verfĂ€rben sie sich, oder sie werden von SchĂ€dlingen befallen. Skulpturen, die unter freiem Himmel stehen, lĂ€sst er darum in Bronze gießen, einem Material, das bestĂ€ndig ist und zugleich eine Ă€sthetisch reizvolle Patina ansetzt. 

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Am 28. Januar genoss er die menschlichen Vibes im MĂŒnchner Museum of Urban and Contemporary Art (MUCA). Ab 11 Uhr vormittags stellte er im Rahmen des start‘18-Festivals live seine neue Skulptur fertig. Wer eines der gĂŒnstigen Tickets erworben hatte, kam außerdem in den Genuss der Werke der spektakulĂ€ren Reisefotografien Jimmy Nelsons.

Seine geliebte MotorsĂ€ge ließ Nowak zuhause. „Ich habe nur mit dem Beil geklopft“, sagt er lakonisch. „Da Sonntag war, hatte ich keine Genehmigung fĂŒr die laute SĂ€ge bekommen.“ Nowak freute sich auf den Kontakt mit dem Publikum. „FrĂŒher habe ich oft solche Events gemacht. Da findet mehr Austausch statt als in irgendwelchen GesprĂ€chen.“

Die nĂ€chste Galerieausstellung hat Nowak im Sommer, wenn die Galerie an der Pinakothek der Moderne von Barbara Ruetz neue Werke von ihm ausstellt. Die Gelegenheit, ihn bei seinem archaischen „Stammes-Ritual“ zu erleben, kommt so schnell nicht wieder.

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