Patrick Villas‘ lebensgroße Werke
Patrick Villas (geb. 1961) ist ein international anerkannter Künstler, der für seine Tierskulpturen bekannt ist, aber damit ist noch lange nicht alles gesagt. Wie ist dieser Künstler in der europäischen Kunstwelt positioniert?
KUNST
In der zeitgenössischen Kunst ist Villas als der Animalier bekannt. Seine Bildsprache, in der er die Grenzen zwischen Figuration und Abstraktion auslotet und nach seinen Formen, in einem rauen Stil sucht, macht ihn einzigartig in seinem Genre. Seine Bronzen – in denen noch deutlich die Spuren der formenden Hand sichtbar sind – sind sehr begehrt. Er wurde als „einer der bedeutendsten (Tier-) Bildhauer seiner Generation“ bezeichnet. Seine Leidenschaft für die Formensprache und Sujets des Tierreichs, vor allem für die Wildkatze, zeigt sich in seinem freien Modellierstil, der in seinen suggestiven Skulpturen, die eine spürbare Spannung ausstrahlen, meisterlich zur Anwendung kommt.
Aus einer inneren Kraft heraus erschafft er unglaublich ausdrucksstarke Kunst. Als Betrachter*innen sehen und spüren wir das Instinktive, die Gefühle, das Wesen des wilden Tieres. Ein aufgeschlossener Betrachter versteht sofort, was der Künstler vermitteln will.
Wie sieht ein Tag im Atelier von Patrick Villas aus? Wartet der Künstler im Stillen auf den Kuss der Muse, oder ist es hauptsächlich harte Arbeit? Letzteres sei der Fall, so der Künstler. Ein Ateliertag besteht vor allem aus schwerer körperlicher Arbeit: Aufstehen, den Ton holen, die Tonmasse vorbereiten und anfangen zu arbeiten. Die Muse kommt selten vorbei. Es ist vor allem Experimentieren, Erfühlen und Ergründen. Und natürlich 20 Jahre an Erfahrung auf die man zurückgreift. 'Soyons courageux, soyons fous!' („Lasst uns mutig sein, lasst uns verrückt sein!“), um es mit Jean Cocteau auszudrücken.
Wie geht man solch lebensgroße Werke an? Der Künstler fertigt zunächst Skizzen von natürlichen Posen und Bewegungen der Tiere. Diese flüchtigen Entwürfe entwickeln sich mitunter zu vollwertigen Zeichnungen – Villas ist übrigens ein begnadeter Zeichner – die in nur einigen nervösen Linien all das enthalten, was beobachtet wurde. Villas arbeitet wenig mit Bildern; er will suggerieren, dass diese sich selbst erschaffen, bis die Entwicklung zu einem Ende kommt. Das fertige Abbild muss nicht unbedingt mit der Realität konform gehen. Der Künstler beherrscht die Anatomie seiner tierischen und menschlichen Modelle, aber mit großem Enthusiasmus setzt er sich über die Grenzen, die die Anatomie vorgibt, hinweg. Wenn man das Material im Detail betrachtet, wirkt die Skulptur abstrakt; aus der Ferne betrachtet, figurativ. Als Künstler erschafft man ohnehin ein unfertiges Produkt, der fehlende Rest wird vom Betrachter ergänzt.
Ist sein Werk zeitgenössisch oder zeitlos? Villas ist in erster Linie ein Ästhet. Er liebt schöne Dinge, und schöne Dinge, so der Künstler selbst, sind zeitlos.
Auf seiner Suche – ist nicht jeder gute Künstler ein Suchender? – testet Villas immer wieder seine Grenzen aus, dies zeigt sich auch in seiner Neugier auf neue Techniken.
Bevor er seine bildhauerische Arbeit begann, malte er 15 Jahre lang, und tut dies gelegentlich immer noch, er arbeitet sowohl in Öl, Acryl als auch mit Mischtechniken. Vor kurzem entdeckte er digitale 2D-Techniken für sich, woraus eine Werkreihe digitaler Arbeiten auf Diasec mit dem Thema „Die Frau“ entstanden ist.
Neben Ton und Bronze werden seine Skulpturen auch in neuen Verfahren ausgeführt: Er arbeitet mit einer Bronzewerkstatt, wo er mit den neuesten 3D-Techniken experimentiert. Die Materialität ist von entscheidender Bedeutung, Villas hat bereits Skulpturen aus Papier, Wachs, Ton, Stoff und anderen Materialien hergestellt. Das verwendete Material an sich spielt dabei eine untergeordnete Rolle – die Bewegung im Material ist die Hauptsache – alle Methoden sind geeignet, um eine interessante Skulptur zu schaffen.
FRANKREICH
Vor 12 Jahren tauschte der vielseitige Künstler Patrick Villas die Hektik der belgischen Großstadt Antwerpen gegen den Frieden und die Stille in einem französischen Dorf in der Haute-Marne ein. Die Ruhe und der Frieden in Frankreich hatten einen großen Einfluss auf seine Karriere; er konnte nun in aller Stille schaffen, ohne jegliche äußere Einflussnahme oder Einwirkungen.
Ebenfalls zu dieser Zeit ergab sich die Zusammenarbeit mit der französischen Galerie Bayart. In Belgien arbeitet er seit Jahren mit der Latem Gallery Lochristi zusammen, die über einen großen, wundervollen Skulpturengarten verfügt, wo Villas Skulpturen perfekt zur Geltung kommen. Die Langfristigkeit ist wichtigster Bestandteil für ihn bei seiner Zusammenarbeit mit Galeristen.
Die Anerkennung in Frankreich ließ nicht lange auf sich warten, er wurde in die Sammlung der Musées de France aufgenommen, auf der PAD und der Pariser Biennale ausgestellt und erhielt zahlreiche öffentliche Aufträge.
Die Skulptur Chiens en course ist zum Beispiel ein Ankauf des DRAC Orne, einer öffentlichen Institution, die eine Sammlung zeitgenössischer Kunst aufbaut.
Was hat dieser Künstler sonst noch in Frankreich vorzuweisen?
Von der Taylor Foundation erhielt er bereits 2014 den Evariste Jonchère-Preis, und im Jahr 2016 organisierte das Centre d'Art Contemporain de la Matmut eine Retrospektive, nach der ein monumentaler Pantherkopf durch das Centre angekauft wurde. Außerdem: ein lebensgroßer Tiger für Cologny, ein monumentaler Pantherkopf für die Stiftung Matmut pour l'Art, ein Brunnen für das französische Dorf Robécourt …
Der mondäne französische Skiort Megève hat dem Künstler einen Trail mit sechs monumentalen Werken gewidmet. Diese werden dort vom 22. November 2022 bis zum 23. Mai 2023 zu sehen sein.
So erobert Patrick Villas langsam die Herzen der Franzosen. Neben seinen Galeristen hilft ihm dabei auch seine Frau und Agentin Edwina.
DENKMÄLER
Zwei kürzlich entstandene Denkmäler sind für die Karriere des belgisch-französischen Künstlers von besonderer Bedeutung.
The Broken Bowl kann als Mahnmal für missbrauchte Kinder betrachtet werden. Das Denkmal ist drei Meter hoch. Wir sehen eine schöne junge Frau, die eine Schale in der Hand hält, die jedoch zerbrochen ist. Warum? Weil sich ihr Innerstes nie wirklich erholen wird. Man spürt, dass trotz ihrer Schönheit etwas für immer zerbrochen ist. Ihr Gesicht ist einer persönlichen Bekannten des Künstlers nachempfunden. Es zeigt den Respekt vor jemandem, der sich selbst das Leben zurückgegeben hat.
Anmerkung: Ein Anteil der ersten verkauften Bronze dieses Denkmals geht an ein Pflegeheim für geistig und körperlich behinderte Menschen. Die Tatsache, dass der Bruder von Patrick Villas behindert war, war für den Künstler immer eine große Motivation.
Das zweite Denkmal Affinity wurde für alle diejenigen geschaffen, die sich für die Rechte der Tiere einsetzen. Wir sehen eine Frau, die ein Tier auf den Schultern trägt. Sie verkörpert Julie Lasne, eine französische Verhaltensforscherin, die sich weltweit für Tiere einsetzt. Sie wird buchstäblich mit einem Bein im Beton dargestellt, wie ein Don Quijote im Kampf gegen die Windmühlen.
Da der Künstler als Mensch nicht auf die Barrikaden geht, schafft er Denkmäler, um somit seinen Beitrag zu leisten.
So ist bei Patrick Villas ein Panther nie einfach ein beliebiger Panther, sondern er steht als Symbol für unseren Planeten. Als Betrachter sehen wir die äußere Form der prachtvollen Kunstwerke, aber das Eigentliche zeigt sich in der Tatsache, dass der Künstler Tiere schafft. Beispielsweise versucht er, die öffentliche Aufmerksamkeit auf "mehr Tiere in der Stadt" zu lenken, indem er Tiere eben dort platziert. Er setzt sich dafür ein. Wenn man bedenkt, dass in hundert Jahren 70 Prozent unserer Fauna und Flora zerstört sein werden, ist es dringend notwendig, dauerhaft darauf aufmerksam zu machen.
BUCH
Demnächst erscheint ein neues Buch mit dem Titel The Broken Bowl. Der Autor Marc Pairon hat ein Kunstbuch über Villas Werk geschrieben. Man sollte jedoch kein Buch mit "Werken von Patrick Villas" erwarten, es behandelt eher die Themen, mit denen sich der Künstler in seiner künstlerischen Praxis auseinandergesetzt hat, kurz gefasst handelt es vom "globalen Werk" des Künstlers.
Autorin: Hilde van Canneyt
Die belgische Kunstjournalistin Hilde Van Canneyt (Gent, BE) ist vor allem für ihre mehr als 250 Interviews mit belgischen und niederländischen Künstlern bekannt, die auf ihrer Webseite und in verschiedenen Medien veröffentlicht werden. Als Freiberuflerin schreibt Van Canneyt Rezensionen, Texte für Künstler*innen und Kataloge. Sie ist eine gefragte Kuratorin sowie Mitglied von Jurys und Kunstkommissionen.
Titelbild: "The Broken Bowl," Mahnmal für missbrauchte Kinder, 2021