Anonym, Eine Löwin kämpft gegen einen Drachen, 16. Jh., Tuffgestein, Detail, Foto: Archiv der Autorin
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Der Skulpturenpark Sacro Bosco in Bomarzo. Oder: Was verbindet Dornröschen und Dalí?

Gefühle können durch plastische Kunst, aber auch durch die Natur hervorgerufen werden. Und wenn sich beides zu einem Skulpturenpark verbindet, wird man mitunter gänzlich in eine künstlich geschaffene, aber umso echter empfundene räumliche Situation hineingezogen. Das kann ganz schön märchenhaft werden. Ein solches Beispiel soll hier kurz vorgestellt werden.

Nahe des italienischen Städtchens Bomarzo in der Provinz Viterbo in Latium ist ein ganz besonderer, zwischen 1552 und 1585 angelegter Skulpturenpark beheimatet: der Sacro Bosco („Heiliger Wald“), der auch Parco dei Mostri („Park der Ungeheuer“) genannt wird.

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Anonym, Eine Löwin kämpft gegen einen Drachen, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

Die Anlage

Der Sacro Bosco ist tatsächlich eine Mischung aus beiden Bezeichnungen. Es handelt sich um einen parkähnlich angelegten und sehr gepflegten Ort mit vielen Bäumen und den Windungen des Baches Fosso della Concia – ein kleiner Wald aus Bäumen und Stein, der jede:n, der oder die durch ihn hindurch spaziert, in seine ganz eigene Welt entführt. An jeder Ecke verbergen sich groteske, verwitterte, teilweise monumentale manieristische Steinskulpturen und antikisierende Architekturruinen, die ebenso heilig wie auch okkult-magisch wirken können – je nachdem, wie das Licht gerade fällt und in welcher Stimmung die Besucher:innen des Parks sind. Es gibt viel zu sehen: Riesen, Monster, Schlangen, Elefanten und Figuren aus der altgriechischen Mythologie, um nur einige Motive zu nennen. Daneben gibt es auch ein schiefes Haus, die Casa Pendente, zu entdecken, in das man auch hineinklettern und seine eigene Perspektive überdenken kann.

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Anonym, architektonische Strukturen im Sacro Bosco, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

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Anonym, Nachbildungen griechischer Vasen mit wehrhaftem Elefanten im Sacro Bosco, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

Die Skulpturen

Insgesamt befinden sich im Sacro Bosco über 30 teils monumentale Skulpturen aus dem hiesigen basaltischen Tuffgestein Peperino (auch Peperin, Peperit oder Pfefferstein), das durch seine charakteristische grünlich-graue Färbung besonders gut in die Atmosphäre des Parks passt. Zwischen den Bäumen, Büschen und bewachsenen Hängen fallen sie trotz ihrer Größe oft gar nicht auf den ersten Blick auf, sondern überraschen die Besucher:innen, wenn sie sich nähern. Sphingen, Pegasoi, Giganten, Drachen und andere Monster bzw. mythische Wesen fügen sich ganz natürlich in ihre teils geordnete und teils wild-naturbelassene Umgebung aus Pflanzen, Wasser und Architekturruinen ein. Orcus reißt seinen riesigen Mund auf und gibt eine kleine begehbare Höhle im Inneren des Kopfes frei, in der ein Tisch steht. Auf dem „Torrahmen“ ist der mit dem Motiv an sich kaum zu vereinbarende Spruch Ogni pensiero vola („Jeder Gedanke fliegt“) eingemeißelt. Solche teils verwirrenden und teils einfach hinzunehmenden Kombinationen sind hier häufiger anzutreffen – sie machen einen Teil des Reizes aus.

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Anonym, Orcus, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

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Anonym, Scylla (?), 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

Auf einer von mehreren, mal mehr, mal weniger versteckten Inschriften im Skulpturenpark ist zu lesen: Voi che pel mondo gite errando vaghi di veder meraviglie alte et stupende („Ihr, die ihr durch die Welt streift, begierig, hohe und erstaunliche Wunder zu sehen“).  Und genau das erleben die Besucher:innen des Sacro Bosco noch heute.

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Anonym, Oberkörper eines Giganten im Kampf, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

Namen von Bildhauer:innen sind leider nicht gesichert überliefert. Stilistisch kann wegen der starken Witterungsschäden auch keine plausible Zuordnung getroffen werden. Doch selbst wenn unbekannt bleiben muss, wessen Meißel die Skulpturen dieses Parks geschaffen hat, ändert dies nichts an der beeindruckenden Gesamtwirkung. Vielleicht ist es dieser sogar zuträglich, denn hier stehen eben nicht die schaffenden Persönlichkeiten im Mittelpunkt, sondern die ganz persönlichen Eindrücke der Besucher:innen.

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Anonym, Pegasus, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

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Anonym, monströses Gesicht in architektonischer Struktur, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

Alles aus Liebe …

Auftraggeber für diesen herrlichen Ort war der Adelige Vicino Orsini (eigentlich Pier Francesco Orsini, 1523 - 85). Mehr als dreißig Jahre dauerten die Arbeiten an diesem Skulpturenpark-Projekt, das vermutlich im Wesentlichen der Fantasie des Auftraggebers entsprang – obwohl immer wieder verschiedene damals bekannte Architekten in diesem Zusammenhang vermutet werden, unter anderem auch niemand Geringerer als Michelangelo Buonarroti.

Vicino Orsini widmete den magischen Ort seiner während der Entstehungszeit des Skulpturenparks im Jahr 1564 verstorbenen Ehefrau Giulia Farnese, Tochter des Galeazzo Farnese (Herzog von Latera), mit der er bis zu ihrem Tod immerhin zwanzig Jahre lang verheiratet war, und ließ damit eine höchst persönliche Komponente und vermutlich auch einige Emotionen mit hineinfließen. Ob es romantisch ist, seiner Frau einen Park zu widmen, in dem grausame Darstellungen von Kämpfen, etwa zwischen Giganten und anderen sich gegenseitig angreifenden Kreaturen, zu finden sind, muss wohl jeder für sich entscheiden.

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Anonym, schlafende Nymphe, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

Der knapp 400-jährige Schlaf

Im Jahr 1585 starb schließlich auch Vicinio Orsini und, kaum vorstellbar, der Park wurde vergessen und fiel in einen mehrere Jahrhunderte währenden Dornröschenschlaf. Das ist derart märchenhaft, dass es wie eine PR-Erfindung klingt. Doch es war wirklich so. Erst im 20. Jahrhundert wurde der Park wiederentdeckt, von einem Ehepaar privat gekauft, gründlich saniert und die Anlage wieder ohne Gefahr für Leib und Leben zugänglich gemacht.

Der erste prominente Besucher war übrigens Salvador Dalí, was angesichts der oft albtraumhaften Landschaften und Szenerien in seinen Gemälden nicht sonderlich überrascht. Manche vermuten sogar, dass seine Impressionen aus dem Sacro Bosco in sein Gemälde Die Versuchung des Heiligen Antonius mit einflossen.

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Anonym, Giganten im Kampf, 16. Jh., Tuffgestein, Foto: Archiv der Autorin

Einfach hinfahren!

Es gäbe noch viel zu beschreiben und zu erzählen, doch die ganz besondere Atmosphäre des Sacro Bosco und die Gefühle, die er auslösen kann, müssen am eigenen Leib erfahren werden. Wenn ihr also mal wieder in Latium unterwegs seid oder noch ein Ziel für einen schönen Italienurlaub sucht: Dieser Ort ist eine unbedingte Empfehlung.

Dieser Text wurde von Iris Haist auf Deutsch verfasst.

 

Über den Autor/ die Autorin

Dr. Iris Haist

Iris Haist ist promovierte Kunsthistorikerin und Autorin. Ihre Leidenschaft für Stein als Werkstoff kommt von ihrem Großvater, der Steinmetz war und der seine Werkstatt im Hof ihres gemeinsamen Wohnhauses hatte.

Übersetzung

Sybille Hayek

Sybille Hayek ist Lektorin und Übersetzerin. Seit 2022 unterstützt sie unser Team ehrenamtlich mit ihrem geschulten Blick fürs Detail und einer großen Liebe zur Sprache.

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