Ein Hauch von Père-Lachaise in Elversberg
Westdeutschland in der Mitte der 1970er Jahre: In der Pfalz war – wie überall im Wirtschaftswunderland BRD – der Partykeller der „Place to be“. Zu „Angie“ von den Rolling Stones und manchmal auch mit Angie wurde im Stehen gekuschelt und zu „Heart of Gold“ von Neil Young liegend geknutscht. Doch zu den Schlagern von Boney M. wurde richtig Party gemacht. Im Januar 2024 starb der Erfinder, Macher und Produzent der Disco-Formation. Der Grabstein von Franz Reuther, alias Frank Fabian, ist genauso ungewöhnlich wie seine Karriere.
Auf dem kleinen, beschaulichen Friedhof Gänsberg in Spiesen-Elversberg ist dieses Monument kaum zu übersehen, zumal der Friedhof im Ort des Beinahe-Bundesliga-Aufsteigers „Sportvereinigung 07 Elversberg“ sonst eher unscheinbar ist. Aufwendige Grabzeichen sind hier kaum zu sehen, industriell gefertigte Einheitsware bestimmt das Bild. Ein Grab fällt jedoch auf: In einer vier mal vier Meter großen Grabstätte ruhen der Boney-M.-Erfinder und Milli-Vanilli-Macher Frank Farian, der bürgerlich Franz Reuther hieß. Er starb im Januar 2024 im Alter von 82 Jahren in seinem Apartment in Miami und verfügte, im heimischen Spiesen-Elversberg bestattet zu werden, an der Seite seiner Mutter.
Granit, Goldschrift und ein Mischpult
Im Zentrum des Grabes steht ein großes Standmikrofon im Retrostyle, flankiert von zwei schwarzen Tafeln aus schwarzem, schwedischem Granit mit den lasergravierten Porträts von Frank Farian und seiner Mutter. Darunter, mit Gold gehöht, serifenlos, sandgestrahlt und eher amateurhaft gestaltet, die Namen und Lebensdaten der Verstorbenen. Bei Franz Reuther wurde zusätzlich in Versalien „AKA (also known as) Frank Farian“ vermerkt. Auf zwei ebenfalls schwarzen Liegeplatten davor wurden bei Frank Farian die Zeilen „By the rivers of Babylon – There we sat down – Yeah, yeah, we wept – When we remembered Zion“ (dieser Song mit Boney M. machte Farian 1978 weltberühmt) bei seiner Mutter wurde „Der Mond ist aufgegangen“ (ein über 200 Jahre altes Kinderlied) vermerkt. Die davor liegende, vollflächige Grababdeckung zeigt auf einer bedruckten Folie das Mischpult des Musikers. Die Regler stehen auf „Daddy Cool“, dem ersten großen Erfolg der Produzentenlegende. Die gedruckte Nachbildung wurde bis in kleine Details abgestimmt. Handschriftliche Notizen wie „Vocals“ und „Guitar“ sind auf Post-its zu lesen. Zwei Leuchten spenden in der Dunkelheit Licht.
Vom Schlagerfuzzi zum Millionär
Ein Grabzeichen als Touristenmagnet
Zurück auf den Friedhof: Dieses Grabzeichen vereint viele persönliche Details des Produzenten Frank Farian, einerseits. Andererseits ist es ein Symbol für die Herkunft und das musikalische Vermächtnis des Menschen Franz Reuther. Bei aller möglichen Kritik an seiner gestalterischen Qualität und der handwerklichen Ausführung steht es doch in der Tradition der Denkmäler für ein einmaliges Lebenswerk: ein seit der italienischen Renaissance populärer Gestaltungsansatz für Grabdenkmäler. Im Rathaus der kleinen Gemeinde gibt es darüber hinaus schon weitere Pläne. „Vielleicht gibt es bald einen ‚Frank Farian Weg‘, auf dem man sein musikalisches Schaffen beleuchten könnte“, meint der Bürgermeister. Er ist sich sicher, dass in Spiesen irgendwas geschehen wird. Auf dem Friedhof Cimetière du Père-Lachaise in Paris wurden Jim Morrison, Edith Piaf, Oscar Wilde, Frédéric Chopin und Maria Callas begraben; heute ein „Must“ für viele Besucher der französischen Metropole. Wird in Spiesen-Eversberg dank Frank Farian der Friedhof zum Touristenmagnet? Warum nicht. In der unweit von Saarbrücken gelegenen Gemeinde freut sich der Bürgermeister jedenfalls, dass „sein“ Friedhof wieder im Gespräch ist. Sogar der Bild-Zeitung war er einen (positiven!) Bericht wert. Vielleicht sind ungewöhnliche Grabzeichen ein weiterer Weg, die Friedhöfe wieder attraktiver zu machen.
Autor Willy Hafner kann sich noch gut an die Partys der 1970er Jahre erinnern – einer Zeit, in der viele mehr statt weniger Demokratie wagen wollten. Tempi passati! Den Text verfasste er auf Deutsch.