Installation view of New Mineral Collective (Emilija Škarnulytė & Tanya Busse), Surveying Desire, 2025. Commissioned and produced by Salzburger Kunstverein. Courtesy of New Mineral Collective. Photo: kunst-dokumentation.
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Die Vermessung der Sehnsucht: Geo-Therapien zur alternativen Gestaltung der Zukunft

Ist die Erde ein Körper, so verordnen die Künstler des New Mineral Collective ihm Massagen, Akupunktur und Entspannungsbehandlungen zur Linderung der Beschwerden. Damit ermöglichen sie es uns, darüber nachzudenken, wie sich unsere Beziehung zur Erde neu ausrichten lässt – hin zu einer Beziehung, die auf Gegenseitigkeit und Fürsorge beruht.

Hinter dem 2012 gegründeten New Mineral Collective verbirgt sich die künstlerische Zusammenarbeit der kanadischen Künstlerin Tanya Busse (geb. 1981) mit der litauischen Künstlerin Emilija Škarnulytė (geb. 1987). Ein zentrales Thema der gemeinsamen Arbeit ist die Beziehung zwischen einer radikalen Geologie, umkämpften Landschaften und dem Körper. Mit den Mitteln der Fotografie, des Films und der skulpturalen Installation befassen sich die Künstlerinnen mit der gegenwärtigen Umweltpolitik, um die Art und das Ausmaß der menschlichen Interaktion mit der Erdoberfläche besser verstehen zu lernen. In ihrem neuen Werk Surveying Desire bieten sie „Geo-Therapien“ in Form von Akupunktur und Badesalzbomben mit Reizdämpfung an, um die Narben der Erde zu lindern, die durch übermäßige Ausbeutung, Umweltverschmutzung und koloniale Grenzen entstanden sind.

In der großen Halle des Salzburger Kunstvereins zeigt das New Mineral Collective seine neue skulpturale Installation Surveying Desire. Dunkelblauer Teppich bedeckt den Boden der Ausstellungshalle, und der Raum ist in sanftes, aquamarinfarbenes Licht getaucht, wodurch das Gefühl entsteht, man sei unter Wasser (oder vielleicht auch in einer unterirdischen Salzmine). Mit dem Betreten der Installation lässt man die Räumlichkeiten des Kunstvereins hinter sich und taucht in eine völlig neue Landschaft ein.

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Installationsansicht New Mineral Collective (Emilija Škarnulytė & Tanya Busse), Surveying Desire, 2025. In Auftrag gegeben und realisiert durch den Salzburger Kunstverein. Mit freundlicher Genehmigung von New Mineral Collective. Foto: kunst-dokumentation.

 

Im Inneren durchbohren neun sechs Meter lange Akupunkturnadeln den Raum. Zwischen den Nadeln befinden sich fünf große Badebomben aus Salz. Beide Skulpturen stellen in Übergröße beliebte Behandlungen aus der heutigen Wellness- und Self-Care-Industrie dar. Die Nadeln verweisen auf die Akupunktur, eine traditionelle chinesische Therapiemethode, bei der feine Nadeln in bestimmte Körperstellen gestochen werden, um vorhandene Energieblockaden zu lösen. Die Salzbomben evozieren den Reizentzug, eine Anwendung, bei der die normalen Sinnesreize zu experimentellen oder auch therapeutischen Zwecken unterbunden werden.

Die skulpturalen Interventionen sind sowohl metaphorische als auch konkrete Instrumente, die die geophysikalischen und geopolitischen Wunden der Erde sondieren und gleichzeitig mögliche Zukunftsszenarien jenseits der kapitalistischen Ausbeutung entwerfen.

Installation view of New Mineral Collective (Emilija Škarnulytė & Tanya Busse), Surveying Desire, 2025. Commissioned and produced by Salzburger Kunstverein. Courtesy of New Mineral Collective. Photo: kunst-dokumentation.
Installationsansicht New Mineral Collective (Emilija Škarnulytė & Tanya Busse), Surveying Desire, 2025. In Auftrag gegeben und realisiert durch den Salzburger Kunstverein. Mit freundlicher Genehmigung von New Mineral Collective. Foto: kunst-dokumentation.

In Surveying Desire durchbohren die Akupunkturnadeln die Institution und markieren den Ort als eine umkämpfte Landschaft, in der es Energieblockaden in Form von ökologischen, politischen oder sozioökonomischen Spannungsherden gibt. Die geophysikalischen Wunden der Region lassen sich bis zu den Ursprüngen des Ortes zurückverfolgen, den wir heute als Salzburg kennen, und verweisen auf die lange Geschichte des Salzabbaus, der wesentlich zum Wohlstand und zur Entwicklung der Gegend beigetragen hat.

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Installationsansicht New Mineral Collective (Emilija Škarnulytė & Tanya Busse), Surveying Desire, 2025. In Auftrag gegeben und realisiert durch den Salzburger Kunstverein. Mit freundlicher Genehmigung von New Mineral Collective. Foto: kunst-dokumentation.

Die Auswirkungen dieses Handels werden in der üppig wuchernden Barockarchitektur der Region sichtbar. Surveying Desire richtet unsere Aufmerksamkeit jedoch auf die oft nicht offensichtlichen Auswirkungen des Raubbaus. Die Akupunkturskulpturen sind auf die Narben gerichtet, die durch den Salzbergbau entstanden sind, und stellen einen Versuch dar, das Land zu heilen. Abbaugebiete, die sich in hunderten von Metern Tiefe erstrecken, werden als „Geotraumata“ oder Wunden behandelt. Die Skulpturen fordern uns auf, unsere Beziehung zur Landschaft zu überdenken und das Vermächtnis zu hinterfragen, das diese Industrie der Umwelt auferlegt.

Die salzhaltigen Badebomben sind ein direkter Verweis auf diese Historie. Sie können sowohl als Kritik an dieser salzigen Vergangenheit als auch als Gegengift für die Landschaft verstanden werden. Ihre übertriebene Dimension unterstreicht das Ausmaß, in dem Mineralien aus der Erde gewonnen werden, gleichzeitig sind sie jedoch auch reinigendes Mittel für kontaminierte Gewässer.

In diesen Skulpturen werden Technologien und Daten aus dem Rohstoffabbau verwendet und zu Instrumenten der Heilung umgewandelt. Diese sollen es uns ermöglichen, über alternative Zukunftsmodelle nachzudenken, in denen Fürsorge und Heilung Vorrang haben. Surveying Desire dient als Aufruf, unsere durch den Kapitalismus geprägten Wünsche zu überdenken und die Maßstäbe, mit denen wir die Welt betrachten, zu korrigieren.

Surveying Desire ist noch bis zum 4. Mai 2025 im Salzburger Kunstverein zu sehen. Die Ausstellung wird von Mirela Baciak kuratiert und ist Teil des Programms Picturing Justice 2025 des Salzburger Kunstvereins. Surveying Desire wurde vom Salzburger Kunstverein in Auftrag gegeben und realisiert. Die Ausstellung wird vom Office for Contemporary Art (OCA) Norwegen finanziell unterstützt. Sie wird in Verbindung mit der Ausstellung The Pleasure Report in der Mercer Union in Toronto gezeigt.

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Myfanwy Halton hat diesen Text auf Englisch verfasst.

Über den Autor/ die Autorin

Myfanwy Halton

Myfanwy Halton ist Autorin und Produzentin aus Australien und lebt in München.

Übersetzung

Sybille Hayek

Sybille Hayek ist Lektorin und Übersetzerin. Seit 2022 unterstützt sie unser Team ehrenamtlich mit ihrem geschulten Blick fürs Detail und einer großen Liebe zur Sprache.

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