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Nichts - Formen mit Schnee

Neun Architektur-Studenten aus Braunschweig machen sich auf den Weg nach Norwegen. Das Ziel: Schneeskulpturen. Das Mittel: Die Materie Schnee. Das Motto: Nichts. Wie lief wohl die Umsetzung? Wie sieht das Ergebnis aus? Die Studierenden berichten.

Eingepackt in dicke Winterjacken, mit schweren Schneestiefeln, großen Rucksäcken und Taschen voller Handschuhen, Mützen und Thermounterwäsche stehen wir morgens am Flughafen in Oslo, während draußen bei Plusgraden der Schnee schmilzt. Gefolgt sind wir dem Ruf des Schneefestivals in Vinje in der Telemark, gut 4 Stunden Busfahrt von Oslo aus Richtung Bergen, in der wunderschönen Schneelandschaft Norwegens.
Zusammen sind wir zu neunt, eine bunt gemischte Gruppe aus Bachelor- und Masterstudierenden und Ilka Raupach, sie ist Diplombildhauerin, unsere Seminarleiterin und echte Schneeexpertin. Ilka fährt bereits zum 8. Mal nach Vinje, um Schneeskulpturen zu bauen und ist nach wie vor voller Begeisterung für Norwegen, diese Exkursion und das Material Schnee.
Je weiter wir uns dem Ziel nähern, umso spärlicher besiedelt die Gegend, umso mehr Schnee und umso kälter wird es, auch wenn es, wie wir später erfahren, für norwegische Verhältnisse viel zu warm und die Schneehöhe viel zu niedrig ist. Wir, die Deutschen von Dreck und Abgasen gefärbten braunen Matschschnee gewöhnt, sind beeindruckt von der weißen Winterlandschaft.
Vor Ort wohnen wir auf einem Campingplatz in kleinen, gemütlichen Hütten mit Kamin. In einer Hütte war unser Treffpunkt zum gemeinsamen Kochen und Essen, aber auch zu besprechen, wie wir die Schneeskulptur bauen, sie vom kleinen Tonmodell umdenken in die Materie Schnee.

In Braunschweig, wo wir alle an der Technischen Universität Architektur studieren, haben wir uns ein mal pro Woche getroffen, um die Form unserer Skulptur zu konzipieren.

Nichts. Das war und ist das Motto für unsere Arbeit.
Im Vorhinein haben wir uns mit verschiedenen Künstlern und deren Skulpturen auseinandergesetzt, wir haben von Johannes Keppler gelernt, wie Schneekristalle funktionieren und ihre unglaubliche Vielfalt erlebt.
Aus verschiedenen entstandenen Entwürfen zum Thema, einigten wir uns auf eine Form, die wie ein Tuch in der Landschaft liegt und Falten wirft. Diese Form lässt Zwischenräume entstehen, welche eine ungemeine Spannung erzeugen, obwohl sie eigentlich „Nichts“ sind. Aus drei hintereinander platzierten massiven Schneewürfeln erzeugen wir ein Tuch aus Schnee, das scheinbar leicht Falten wirft und mehr schwebt als liegt und so dem nassen Schnee die Schwere nimmt und ihn leicht erscheinen lässt.

Normalerweise werden beim Schneefestival in Vinje die Skulpturen jeweils aus 3 m x 3 m x 3 m Schneekuben herausgearbeitet, die vorher von uns Studierenden an 2 Tagen aufgebaut, aufgeschüttet und gefestigt werden. Das ist keine einfache Arbeit, sondern erfordert viel Kraft und bringt nasse Kleidung. Die Kraft von Schnee, wenn er gegen Schalungen gedrückt und festgestampft wird, ist erheblich, weshalb die Schalungen gut gesichert werden müssen, um zu verhindern, dass die Schneemassen ausbrechen. Insgesamt haben wir für unsere Skulptur und die der anderen Teilnehmer 220 Tonnen Schnee verarbeitet, festgestampft und wieder ausgeschalt.

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Außerdem besichtigten wir in Eidsborg die Stabkirche, traditionelle norwegische Holzbaukunst. Für angehende ArchitektInnen ein Muss. 

Ein ausgewogenes Programm - Aufbauen der Schneekuben, zwischendurch Rodeln zur Entspannung und schließlich als Höhepunkt, das Formen der Skulptur - war das Erfolgsgeheimnis unserer Exkursion.

Wir wurden in Vinje sehr herzlich empfangen und haben uns stets wohlgefühlt. 
Schnee ist ein unglaublich vielseitiges Material. Wir durften es aufbauen, verdichten und wieder abbrechen, wegschaufeln und aushöhlen, um „Nichts“ zu erschaffen und zu merken, dass Nichts eben doch nicht nichts ist.

Zum Abschluss unserer Reise besichtigten wir das Architektur- Highlight, die Oper in Oslo. Nach einer Woche Schnee und Eis in Vinje war das vereiste Operndach kein Problem für uns und bot uns einen schönen Ausblick über die Stadt.
Wir hoffen, dass das Schneefestival in Vinje auch ohne Ilka, die das Seminar leider zum letzten Mal betreuen konnte, weiter stattfindet, denn für uns war es eine einzigartige Erfahrung.

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Autor: Veit Auch
Veit Auch, 25 Jahre, studiert Architektur an der TU Braunschweig im 1. Semester Master

„Der Schnee ist mein Freund.“
Aufgewachsen in einer Ski - affinen Familie musste ich mir dieses kalte, weiße, teilweise unangenehme Zeug schnell zum Freund machen, denn wir waren oft im Schnee, sei es mit Schlitten, Ski oder einfach so.
Schnee ist faszinierend. Nass, pappig, pulvrig, schwer, leicht, hart, weich. 
Unendlich viele Zustände. 
Mal hält er wie Beton, mal fällt er auseinander wie Mehl. 
Mir gefällt jeder Zustand. Selbst, wenn er im Frühling von den Bergen fließt und ich auf Ski von Schneefleck zu Schneefleck springen muss.
Ein letztes Aufbegehren gegen den unausweichlichen Sommer.
Wenn es draußen schneit muss ich raus.
Im Regen tanzen mag zwar romantich klingen, Im Schnee macht es aber eindeutig mehr Spaß.

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„Etwas so großes aus dem Nichts zu erschaffen, mit nur ein paar Schaufeln und vielen fleißigen Händen ist etwas Besonderes, an das ich noch lange zurückdenken werde.“  - Tilman

„Die Wandelbarkeit und den Detailierungsgrad von Schnee fand ich sehr überraschend. Schnee als Baumaterial ist unglaublich vielseitig und gut einsetzbar, wenn die Temperaturen stimmen.“ - Jana

„Schnee, der vestellt und sichtbar macht.
Schnee, der umhüllt und offenbart.
Schnee, der verlangsamt und Stille gibt.
Faszination Schnee
Schnee kann leicht sein, vergänglich schwer,
temporär bleibend.
Der Schnee scheint so leicht und ist in seiner Masse doch schwer.
Die Leichtigkeit in der Luft verfliegt bei der Landung auf der Erde.
Wie schaffen wir es diese Leichtigkeit einzufangen? Skulptural zu übersetzen?“
- Kristin

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„Die Woche in Norwegen war für mich persönlich in vielerlei Hinsicht interessant und lehrreich. Zum einen war es sehr interessant in eine neue Kultur einzutauchen, einheimische Menschen, deren Ansichten und Arbeitsweisen kennen zu lernen, sowie zu sehen, wie anders sich die Gebäude in die Landschaft einfügen. Aufgrund der Topografie und der grobmaschigen Anordnung haben die Gebäude in Norwegen außerhalb der großen Städte ihren Raum um zu wirken. Die immer noch verbreitete ursprüngliche und abgewandelte Holzbauweise war sehr inspirierend. Außerdem war es eine lohnenswerte Erfahrung, Schnee als neuen Baustoff kennen zu lernen und zu sehen, wie aus dem kleinen Modell aus Ton ein groß maßstäblicher, erlebbarer Baukörper, durch unser Schaffen im Team, wurde. So war es faszinierend zu sehen, wie die Wirkung der Idee von amorphen Faltungen vom Arbeitsmodell in die Schneeskulptur übertragen werden konnte und sie als begehbare Architektur funktionieren konnte.“ - Elena
 

 

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