Interview mit Cornelia Hammans
Wir haben Cornelia Hammans, Bildhauerin und Vorstandsmitglied von sculpture network, zu einem Interview in ihrer neuen Wahlheimat Leipzig getroffen und einen exklusiven Rundgang in ihrer frisch bezogenen Werkstatt in dem sächsischen Städtchen Zeitz bekommen.
Zum Interview treffen wir uns in Cornelia Hammans Wohnung in der Belle Etage eines repräsentativen Gründerzeithauses im Westen der Stadt Leipzig. Trotz frisch bezogener Wohnung sitzen wir in einem geschmackvoll gestalteten Wohnzimmer, umringt von einigen ihrer Skulpturen. Ihre Wohnung soll in Zukunft auch als Ausstellungsraum dienen.
Cornelia, dein Lebens- und Arbeitsmittelpunkt lag jahrzehntelang in München und Gmund am Tegernsee. Was hat dich dazu bewegt nach Leipzig zu ziehen?
Bayern ist eine wunderschöne Gegend und München eine angenehm beschauliche Stadt. Als ich jedoch an einem Wochenende meinen Sohn und seine Familie hier in Leipzig besuchte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Wir saßen in einem Restaurant und überall um uns herum waren junge Familien mit ihren Kindern und Kinderwägen – eine lebendige, vibrierende Atmosphäre, die in der ganzen Stadt spürbar ist. In München fallen einem vor allem die parkenden Rollatoren auf. Daraufhin überkam mich der unweigerliche Entschluss, dass es Zeit für einen Neuanfang ist und ich in eine vitalere Umgebung ziehen muss. Die Stadt Leipzig und ihre Umgebung ist der ideale Ort dafür.
Wie gestaltet man so einen Umzug – vor allem in Hinblick auf all die schweren Gerätschaften und Materialien, die du für die Herstellung der Plastiken brauchst?
In der Tat ist es ein großer logistischer Aufwand, ein Haus auszuräumen, das man Jahrzehnte bewohnt und eine Werkstatt, in der man lange gearbeitet hat. Für Haushalt und Werkstatt stellt sich aber die gleiche Grundfrage: Was kommt mit, was weg? Von symbolischer Bedeutung für diesen neuen Lebensabschnitt war der Entschluss 20 Tonfiguren zu zerschlagen, was soll ich mit dem alten Zeug? Die Tonfiguren sind lediglich Entwürfe, die ich dem Gießer für den Bronzeguss anvertraue. Man wird bei einem Umzug gezwungen zu überlegen, was wichtig und was unwichtig ist. Mitgenommen nach Leipzig habe ich am Ende nur die finalen Skulpturen aus Bronze.
„Von symbolischer Bedeutung für diesen neuen Lebensabschnitt war der Entschluss 20 Tonfiguren zu zerschlagen, was soll ich mit dem alten Zeug?“ - Cornelia Hammans |
Cornelia Hammans hat mittlerweile ihre Werkstatt in Zeitz eingerichtet. 40 km von Leipzig entfernt, ist Zeitz vor allem wegen seines auffälligen Bevölkerungsschwundes seit der Wende sowie seiner verlassenen Industriebrachen und verfallenden Häuser bekannt. Cornelia Hammans Werkstatt liegt auf 200 qm im Erdgeschoss einer ehemaligen Nudelfabrik – auch liebevoll „Die Nudel“ genannt. „Die Nudel“ wurde von Heidelberger Investoren erworben, um einen Kulturort zu schaffen. Das Gebäude hat einen ganz eigenwilligen Charme aus zerfallenen Gebäudeteilen, bröckelndem Putz und geisterhaft anmutenden Räumen. Ein kleines Team renoviert in zeitaufwendiger Arbeit die Räumlichkeiten. Cornelia Hammans ist die erste Künstlerin, die ihre Werkstatt hier bezogen hat.
Deine Werkstatt in einer alten Fabrikhalle ist nun fast fertig eingerichtet. Wie kam der Entschluss an diesem ungewöhnlichen Ort eine Werkstatt zu beziehen?
Auf der Suche nach einem Standort für meine neue Werkstatt in Leipzig fragte ich zunächst bei der Baumwollspinnerei in Plagwitz nach einem freien Platz an. Die Spinnerei ist seit Anfang der 2000er Jahre ein beliebter und bekannter Kreativraum und beherbergt eine Vielzahl an Galerien, Ateliers und Kunsträume. Jedoch herrscht im Moment akuter Platzmangel und Räume in dieser Größe sind für die nächsten fünf Jahre ausgebucht. Über mehrere Ecken erhielt ich die Telefonnummer eines Investors, der diese alte Nudelfabrik in Zeitz gekauft hatte. Die Vision ist es aus dem Gebäude nach dem Vorbild der Spinnerei einen neuen Kreativraum zu erschaffen. Es gab schon Versuche der Fabrik neues Leben einzuhauchen: Letztes Jahr beispielsweise wurde die Nudel von einem 12-köpfigen Künstlerkollektiv bespielt. Dieses Kollektiv befindet sich auf stetiger Wanderschaft und sucht immer wieder neue inspirative Orte für ihre Kunst.
Was versprichst du dir von dem neuen, ungewöhnlichen Umfeld?
Ich bin die erste Künstlerin, die in „der Nudel“ eine Werkstatt fest bezieht – es sollen in der Zukunft jedoch viele weitere Künstler folgen. Der Standort und die dort herrschende Atmosphäre geben unheimlich viel her. Der Bedarf an Räumlichkeiten in der Umgebung ist jetzt schon da. Zeitz hat in dieser Hinsicht einen deutlichen Standortvorteil.
Dazu kommt, dass Zeitz von der internationalen Aufmerksamkeit und Öffentlichkeitswirkung profitieren wird, die die Spinnerei während ihrer Frühjahrs- und Herbstrundgängen jedes Jahr auf sich zieht. Eine Vision wäre eine langfristige Kooperation mit der Spinnerei, denn Zeitz liegt nur 30 Minuten mit der Bahn vom Bahnhof Plagwitz entfernt.
Und was bedeutet dieser Neuanfang für dich als Künstlerin?
In persönlicher Hinsicht erhoffe ich mir vor allem neue Inspiration. Aber nicht nur für meine eigene Kunst und mein künstlerisches Schaffen, sondern auch für eine enge und intensive Zusammenarbeit mit anderen Künstlern. Gemeinsam in einem kreativem Umfeld etwas zu gestalten oder auch nur die Möglichkeit zu haben diesen Raum für andere Künstler bereitzustellen. Mir schweben zum Beispiel Ausschreibungen vor:Artist-in-Residency Programme, die man über die Opportunities Seite von sculpture network bewerben könnte und gerade auch für unsere Mitgliedern attraktiv sein könnten.
Nicht zuletzt erhoffe ich mir auch neue Sammler und Interessierte für meine Kunst begeistern zu können. Ich stoße immer wieder auf Sammler, die die Wichtigkeit des Standortes Leipzig und Umgebung für junge, vielversprechende Kunst neben etablierten Künstlern betonen. Alles begann ja in den frühen 90er Jahren als Leipzig und die Leipziger Schule plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit der Kunstwelt rückte.
Hast Du nicht Bedenken bei deiner Käuferschaft und Liebhabern in Vergessenheit zu geraten?
Zurzeit kann ich mich nicht beklagen! Interessant ist, dass Verknappung zu dem Effekt führen kann wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt zu werden. Außerdem habe ich das Glück in schwierigen Zeiten – und die gab es über die Jahre – auf ein verlässliches Netzwerk von Familie, Freunden und begeisterten Sammlern zählen zu können.
Im Gespräch wird deutlich, dass Cornelia Hamanns eine „do-it-yourself“ Künstlerpersönlichkeit ist. Durch organisatorisches Geschick, Fleiß, Können und nicht zuletzt Mut hat sie es geschafft sich einen Namen zu machen.
Sie äußert auch Kritik an den festen Reglements, die in der Kunstwelt vorherrschen. Als sie vor einigen Jahren in Hongkong ausstellte, interessierte sich ein bekannter Galerist für ihre Werke und war überzeugt von ihren bildhauerischen und künstlerischen Fähigkeiten. Mangels ihrer fehlenden klassisch-akademischen Ausbildung als Künstlerin zögerte er aber sie in sein Programm aufzunehmen. Sie entschied sich ab einem bestimmten Zeitpunkt bewusst, den Weg als Künstlerin nicht über eine Galerie zu gehen.
An was arbeitest du im Moment?
Ich arbeite an einer Werkserie, die ich „Naturstücke“ genannt habe. Meine Inspiration dafür bekomme ich aus der Natur: Schon im Rheinland – dort wo ich aufgewachsen bin – faszinierten mich unter anderem die Kopfweiden, die das Bild der Landschaft prägten. Auch in dieser Gegend fallen sie mir wieder auf. In meinen Plastiken drücke ich diese erhabene Kraft aus, die den Objekten der Natur innewohnt. Das objekthafte rückt wieder mehr in das Zentrum meiner Aufmerksamkeit, ich kehre damit sozusagen zu meinen Anfängen zurück.
Wie kam es zu deiner jüngsten Ausstellung im Rahmen des Faust-Festivals in München im Künstlerhaus?
Immer wieder wurde ich gefragt, ob eine bestimmte Skulptur aus meiner Werkserie „Naturstücke“ eine Faust darstellen soll. Das lag nahe, weil ich die Kraft der Natur zeigen wollte. So war die Verbindung zum Faust Festival klar und ich konnte mir sowohl die Ausstellung im Innenhof des Künstlerhauses, als auch die Ausstellung im Atrium des Hotels Bayerischer Hof sichern.
Empfindest du deinen Beruf eher als Arbeit oder Spaß?
Ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass mir mein Beruf Spaß macht. Wegen der Umzugsorganisation komme ich seit Wochen nicht zum Arbeiten. Jetzt brennt es mir unter den Nägeln und ich kann es kaum erwarten meinen Werkstattkittel überzuziehen und loszulegen.
Du bist seit einem Jahr Vorstandsmitglied bei sculpture network, was gefällt dir besonders an der Arbeit von sculpture network?
Der ungebrochenen Enthusiasmus die Sache sculpture network voranzutreiben und die Vielseitigkeit des Vereins. Seien es die Ausschreibungen und jetzt verstärkt das Angebot von Kunstreisen. Die Reise von sculpture network nach Antwerpen vor zwei Jahren, war eine der besten Kulturreisen, die ich je mitgemacht habe. Als Vorstandsmitglied und Repräsentantin macht es mir besonders Spaß, von der Arbeit von sculpture network zu erzählen und für diese großartige Sache zu werben.
„Die Reise von sculpture network nach Antwerpen vor zwei Jahren, war eine der besten Kulturreisen, die ich je mitgemacht habe.“ - Cornelia Hammans |
(Photo Credit: Khira Rudolph)
Autorin: Christina Würtenberger
Christina ist unsere Ausschreibungsexpertin und hat für uns das Windkunstfestival besucht.
Wenn nicht anders gekennzeichnet stammen die Fotos von der Autorin.