Anna Mrzyglod, The bear, Die Grosse 2022, Düsseldorf
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Zwischen Kettensägen und Wandel: Sculpture Network und die künstlerische Karriere von Anna Mrzyglod

Von einer von religiösen Dogmen geprägten polnischen Kleinstadt in die Düsseldorfer Kunstszene – die Geschichte der Bildhauerin Anna Mrzyglod ist geprägt von Resilienz und Beharrlichkeit, Neuerfindung und künstlerischer Freiheit. Sculpture Network stand ihr dabei als Begleiter und Impulsgeber zur Seite.

Die polnische Künstlerin Anna Mrzyglod stammt aus Wadowice, der Geburtsstadt von Papst Johannes Paul II, und begann somit ihren künstlerischen Weg an einem Ort, an dem die Grenzen des künstlerischen Ausdrucks eng umrissen waren. „Es war eine sogenannte 'heilige Stadt', erinnert sich Mrzyglod. „In der Kunst war das das einzig erlaubte Thema. Jede andere Thematik wurde nicht unterstützt.“ Obwohl sie in ihrer Heimat einen Master in Bildender Kunst mit dem Schwerpunkt Bildhauerei abschloss, wusste sie schon früh, dass sie wegziehen musste, um künstlerisch frei zu sein.

Ihr ursprüngliches Ziel waren die liberalen Niederlande, doch dann nahm ihr Leben eine andere Wendung. „Es war einfacher, eine kleine Wohnung in Deutschland, direkt auf der anderen Seite der Grenze zu finden“, erklärt sie. Diese nicht geplante Station wurde das Fundament ihres persönlichen und künstlerischen Lebens. „Hier begann ich, wirklich zu leben.“

Kunst durch Entbehrung

Anna Mrzyglod 1
Tubozilla, 2025 Colorado USA

Die Jahre nach ihrem Umzug nach Deutschland waren für Mrzyglod hart. In einem neuen Land musste sie ihre drei Söhne allein großziehen, nachdem deren Vater gegangen war. Um mit der Bildhauerei in Verbindung zu bleiben, arbeitete sie für Modelleisenbahnfirmen wie Preiser und Miniatur Wunderland und schnitzte nachts, wenn die Kinder schliefen.

“Nicht gerade mein Traumleben“, gibt sie zu. „Großformatige Kettensägen-Skulpturen aus Massivholz mochte ich schon immer.“ Die Not zwang sie jedoch dazu, sich mit bescheidenen Arbeitsmitteln zu begnügen.

Schließlich bot sich ihr eine unerwartete Gelegenheit, die ihr buchstäblich und im übertragenen Sinne mehr Raum gab. Ein Freund überließ ihr ein Bauernhaus in Belgien, in dem sie lautstark und geräuschvoll an ihren Skulpturen arbeiten konnte, während die Kinder spielten. Das war ein Wendepunkt. „Ich fing an, meine Skulpturen zu verkaufen, erhielt neue Aufträge, lernte die Sprache und erkundete die deutsche Kulturszene. Ich wollte Kunst!“

Ein Impuls namens Sculpture Network

Ihre Suche führte sie zu Sculpture Network – eine Entdeckung, die ihren künstlerischen Weg maßgeblich beeinflussen sollte. „Ich bin zufällig auf Sculpture Network gestoßen … und es war toll und unglaublich inspirierend,“ sagt Mrzyglod. Trotz der Sprachbarriere las sie jeden Beitrag, den sie finden konnte. „Ich wollte mehr Kunst!“

Geleitet von ihrer Motivation, zog sie mit ihren Kindern nach Düsseldorf, einer Stadt mit einem regen kulturellen Leben, und begann, sich eine eigenständige künstlerische Existenz aufzubauen. Sie fand Anschluss in anerkannten Vereinigungen wie dem Künstlerverein Malkasten und dem Verein der Düsseldorfer Künstler (1844). Doch erst Sculpture Network bot ihr das Rüstzeug und die Möglichkeiten, um über die lokale Anerkennung hinauszugehen.

“Sculpture Network ist jeden Tag und jedes Jahr mit mir! Es öffnet mir Türen zu vielfältigen, oft politischen und entscheidenden Themen. Durch dieses Netzwerk hat sich meine künstlerische Arbeit verändert – weg von den religiös aufgeladenen Traditionen, mit denen ich aufgewachsen bin, hin zu persönlicheren und gesellschaftlich relevanten Problemstellungen.“

Von Wadowice nach Amsterdam: Internationale Anerkennung

Dank der auf der Webseite von Sculpture Network veröffentlichten Ausschreibungen konnte sich Mrzyglod für einige der prestigeträchtigsten europäischen Ausstellungen und Symposien bewerben – und war erfolgreich.

2023 konnte sie The Bear (dt. Der Bär) bei der international renommierten Skulpturen-Biennale ARTZUID in Amsterdam ausstellen. Der monumentale Teddybär, der zugleich verspielt und tiefgreifend wirkt, fungierte als öffentliches Memorial. Bereits 2022 war er in der jährlich stattfindenden Ausstellung Die Große in Düsseldorf zu sehen. „Es ist eine Arbeit, die sowohl Kinder als auch Erwachsene berührt – es geht um Erinnerung, Verletzlichkeit und Fürsorge“, sagt die Künstlerin.

Anna Mrzyglod, The bear, Die Grosse 2022, Düsseldorf
Anna Mrzyglod, The bear, Die Grosse 2022, Düsseldorf

Ein weiteres Highlight war die Nominierung für den Staatspreis Manufactum 2021 und ihre aus diesem Anlass im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund ausgestellten Arbeiten.

2025 brachte ihr die Teilnahme an der aquaMediale in Lübben im Spreewald einen eigenen Kunstpreis ein. „Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von Wissenschaftlern und Künstlern, das in einem UNESCO-Biosphärenreservat angesiedelt ist – eine unglaublich anregende Umgebung“, erklärt Mrzyglod.

“Bei all diesen Höhepunkten gab es natürlich auch viele Absagen“, fügt sie ehrlich hinzu. „Es ist immer bitter, wenn man bei einer Ausschreibung nicht berücksichtigt wird. Aber die bisherigen Erfolge treiben mich an und geben mir Kraft, diesen schwierigen Weg weiterzugehen.“

Eine Zukunft geformt in Zuversicht

Mrzyglod hat jetzt ihr eigenes Studio in Düsseldorf, in dem sie endlich laut und grenzenlos sein kann. Ihre Skulpturen werden regelmäßig in Galerien in Deutschland und darüber hinaus ausgestellt. Ihr Stil hat sich weiterentwickelt und umfasst nun lebendige Farben und mutigere Themen. „Langsam traute ich mich, das Sakrileg zu begehen und meine geschnitzten Skulpturen zu bemalen“, bemerkt sie lächelnd und spielt dabei auf ihren Pop Art Zyklus an.

Arbeiten wie Der Stehende und Die Puppe stellen traditionelle Ansichten über Weiblichkeit und „Anderssein“ – insbesondere im konservativen polnischen Kontext – infrage. Mrzyglods Kunst hat jetzt eine persönliche, politische und tief emotionale Aussage.

Anna Mrzyglod Puppe
Anna Mrzyglod, Puppe, 2021

Rückblickend sagt Mrzyglod: „Ich habe es geschafft! Ich bin eine glückliche Mutter und eine erfüllte Künstlerin. Ich habe mich wieder verliebt – in das Leben, in die Kunst – und ich fühle mich mit meinem kreativen Weg tief verbunden.“ Und sie betont, dass Sculpture Network ein wichtiger Teil dieser Transformation war. „Es hat mir ermöglicht zu wachsen, sogar in den dunkelsten Zeiten.“

Blick nach vorn

Obwohl Anna Mrzyglod stolz auf das bisher Erreichte ist, ist das für sie noch lange nicht das Ende. Sie sagt: „Es ist noch ein weiter Weg, und ich bin neugierig und will mehr!“

Ihr ultimatives Ziel? “Mich künstlerisch weiter zu entwickeln und nachhaltige Kunstwerke zu schaffen – Arbeiten, die die Menschen bewegen, sie herausfordern und zum Denken anregen.“

Mit Kettensägen, dem Meistern von Herausforderungen und der beharrlichen Unterstützung eines Netzwerks, das an ihr Potenzial glaubte, schuf Anna Mrzyglod nicht nur Skulpturen, sondern gestaltete auch ihr eigenes Leben – und machte dadurch die Kunstwelt zu einem besseren Ort.

Übersetzung

Elka Parveva-Kern

Elka Parveva-Kern unterstützt Sculpture Network seit 2024 als Übersetzerin - eine wunderbare Gelegenheit, ihr langjähriges Interesse an Sprachen und Kunst zu verbinden.

Galerie

Anna Mrzyglod, Knot 2020
Anna Mrzyglod, Knot 2020
Anna Mrzyglod, Digga, 2024
Anna Mrzyglod, Digga, 2024
Anna Mrzyglod, Square Tree, aquamediale Kunstfestival im Spreewald 2024
Anna Mrzyglod, Square Tree, aquamediale Kunstfestival im Spreewald 2024
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