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Das Leben in einer anderen Auflösung/Random International

Kurator Bogomir Doringer zeigt im NXT Museum in Amsterdam einen Überblick über zwanzig Jahre Arbeit der Kunstgruppe Random International. Für Doringer sind die digitalen Werke der Gruppe kreative, kollektive Tänze zwischen Publikum und Technologie, die in unseren Köpfen faszinierende Geschichten über die Frage entstehen lassen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.

In der Gesamtschau sind sechs großformatige Werke zu sehen, darunter die beeindruckende Installation „Living Room“ (Wohnzimmer), die während der Miami Art Week im Dezember 2022 gezeigt wurde. Machen Sie sich darauf gefasst, dass Ihre Sinne in hohem Maße stimuliert werden. Die Ausstellung demonstriert, wie sehr Random International es beherrscht, moderne Technologie auf sublime und faszinierende Weise so zu gestalten, dass sie für ihre digitalen Kunstwerke einsetzbar wird.

Life in our Minds - Motherflock, Random International, Photo Maarten Nauw
Life in our Minds - Motherflock, Random International, Photo: Maarten Nauw

Random International wurde im Jahr 2005 gegründet und ist eine postdigitale Kunstgruppe, die sich mit den Auswirkungen technologischer Entwicklungen auf die menschliche Existenz beschäftigt. Die Gruppe, die vor allem für ihre raumgreifenden interaktiven Installationen bekannt ist, setzt eine Vielzahl unterschiedlicher Medien ein wie Skulptur, Licht, Kinetik, Video, Druck, Robotik und Ton. Der international tätige Kurator und Künstler Bogomir Doringer (geboren in Serbien, 1983), der in Amsterdam lebt, führte mich durch die Ausstellung im NXT Museum und hat mir einige meiner Fragen beantwortet.

Zunächst eine private Frage: Warum sind Sie ursprünglich in die Niederlande gekommen?
„Ich kam 2004 hierher, um an der audiovisuellen Fakultät der Rietveld Akademie zu studieren, da ich mich für den Zusammenhang zwischen Körper und Technik interessierte. Das Studium befasste sich mit der Kunstforschung und war auch inhaltlicher Natur. In Serbien hatte ich Soziologie studiert, bevor ich in die Niederlande kam.“

Random International

Warum haben Sie Random International für diese Ausstellung gewählt?
„Es ist die dritte Ausstellung einer Reihe, und wir wollten dieses Mal eine Einzelausstellung machen.

Die Arbeit von Random International ist derzeit in Bezug auf die aktuellen Entwicklungen zwischen Maschine und Mensch sehr relevant. Außerdem können sie auf etwa zwanzig Jahre Erfahrung in ihrer Arbeit zurückblicken. Ihre zentrale Fragestellung lautet: Kann die Technologie uns Menschen helfen, zu verstehen, wer wir sind?“

Besteht das Team von Random International nur aus Künstlern und Künstlerinnen?
„Nein, da ist auch Heloise Reynolds, eine Dramaturgin, und zum Team gehören auch einige Forscher*innen und Wissenschaftler*innen. Die von den Gründern Hannes Koch (geb. 1975 in Deutschland) und Florian Ortkrass (geb. 1975 in Deutschland) geleitete Gruppe hat ein Studio in London und besteht aus einem globalen Team von unterschiedlichen Talenten, die sich gut untereinander ergänzen. Im Jahr 2010 begannen sie mit Abendveranstaltungen unter dem Titel „Das Leben in einer anderen Auflösung“, die in Form von Minisymposien abgehalten wurden. Zu diesen Abendessen luden sie ausgewählte Gäste ein und diskutierten Themen wie beispielsweise: Sollten wir zeitgenössische technologische Entwicklungen fraglos akzeptieren, oder sollten wir nicht versuchen zu verstehen, wie und warum sie entstanden sind? Wie treffen wir Menschen unsere Entscheidungen und wie weit werden wir durch die Technologie manipuliert? Weitere Themen waren Evolution, menschliches Verhalten, Robotik, künstliche Intelligenz usw.“

Interaktive Installationen mit Musik untermalt

In dieser Ausstellung gibt es nicht nur eine Menge Technologie, sondern auch einige atemberaubende Klänge und Musik?
„Ja, in einigen der Installationen kann man Klanglandschaften und Musik hören. Es gibt auch einen Chor, der singt, und verschiedene Instrumentalstücke. Bei der verwendeten Musik handelt es sich um Originalkompositionen der japanischen Komponisten Masahiro Hiramoto und Chihei Hatekayama und um Auftragswerke von Signe Lykke und Sounddesign von Mamiko Motto. Lykke hat eine wundervolle Komposition mit Blasinstrumenten für die Installation Living Room (Wohnzimmer) geschrieben.“
Als wir den Living Room betreten, hören wir zunächst einige Hintergrundklänge, und dann erfahren wir den Raum, der seine Laufwege durch wechselndes Licht und Nebel selbst verändert. Ein Stück weiter betreten wir einen anderen Raum, in dem sich die Installation Swarm Study XIII (Schwarmstudie XIII) befindet. Man bemerkt sofort, dass diese Installation von sich selbst organisierenden Kollektiven, die in der Natur vorkommen, inspiriert ist, wie beispielsweise von Vogel- oder Fischschwärmen. Die Installation reagiert auf die Bewegungen der Besucher, wodurch wunderbar geformte neue Schwarmbilder entstehen.

Living Room Test.gif
Living Room, Random International, Photo: Riccardo De Vecchi

Warum Schwärme?
„Die meisten Technologien, die wir heute einsetzen, wurden zunächst für militärische Zwecke entwickelt: Gesichtserkennung, Überwachungssysteme, Infrarotkameras, Drohnen. Um Schwärme in der Natur zu verstehen, wurde also zunächst Militärtechnologie eingesetzt. Für diese Installation werden Schwarmstudien, die ursprünglich für militärische Zwecke entwickelt wurden, verwendet. Die Technologie wird auch für das gemeinsame Fliegen von mehreren Drohnen in einer Choreografie benutzt, wie sie z. B. Studio Drift entwickelt hat. In China ist es ganz normal, Informationen durch den Einsatz von Flugdrohnen zu übermitteln.“

In dieser Ausstellung gibt es eine zweite interaktive Installation mit dem Titel „Life in Our Minds: Motherflock (Das Leben in unseren Köpfen: Mutterschwarm), worum geht es da?
„Dieses neu geschaffene Werk ist ein virtueller Schwarm aus papierartigen „vogelähnlichen“ Objekten. Es ist eine Auseinandersetzung mit digitalen Collectibles im Rahmen der Blockchain-Technologie. Random International hat einen Mutterschwarm, bestehend aus virtuellen Flugobjekten, geschaffen, den man in seiner Bewegung stören, verstärken und in zwei Teile spalten kann, wenn man sich ihm nähert. Es handelt sich um eine hochgradig interaktive Skulptur, die den Besucher in den Schwarm eintauchen lässt: Die Skulptur wirft einen digitalen Schatten, der eine Reaktion in Echtzeit hervorruft und so ein Wechselspiel zwischen der digitalen und der physischen Welt erzeugt. Es geht vor allem darum, zu zeigen, welche Wirkung eine individuelle Bewegung innerhalb einer kollektiven Bewegung haben kann und welchen Einfluss wiederum die kollektive Bewegung auf den Einzelnen nimmt. Ergänzt wird die Installation von der Musik des japanischen Komponisten Masahiro Hiramoto.“

Was macht dich aus?

Ein weiteres digitales Kunstwerk beschäftigt sich mit der Frage, was uns ausmacht. Es trägt den Titel Our Future Selves (Unser künftiges Selbst). Die Betrachter werden mit dem Spiegelbild ihres Körpers in voller Länge konfrontiert, das in Form von Lichtpunkten dreidimensional dargestellt wird.

Was macht dieses Werk so besonders?
„Die Fragen, die sich stellen, wenn man mit dem Werk konfrontiert wird: Wie viele Lichtteilchen werden zur Darstellung meiner Gestalt benötigt? Ist das, was ich sehe, nur ein äußerliches Abbild von mir? Interessant an Random International ist, dass sie ihre Bildschirme selbst entwickeln. Sie arbeiten nicht mit Produkten, die auf dem Markt vorhanden sind. Sie erzeugen Raster, und das Licht wird innerhalb dieses Rasters modelliert.“

Die letzte Installation, die Doringer zeigt, trägt den Titel Space of possible minds (Raum für mögliche Geisteshaltungen). Sie besteht aus dem Inhalt mehrerer Präsentationen, die sich mit neuen Technologien und künstlicher Intelligenz befassen und in Bildmaterial umgesetzt wurden. Die Inhalte entstanden während der berühmten Abendessen von Random International. Die Installation findet sich in einem der Übergangsräume des Nxt Museums zwischen den Haupträumen, in denen die großen Installationen zu sehen sind.

Wie kann KI für uns Menschen von Nutzen sein?
„Wir wissen, dass es da draußen verschiedene Arten von Intelligenz gibt; es gibt tierische und menschliche Intelligenz, aber wir haben auch außerirdische Intelligenz, Biomaschinen und KI. In diesem Bereich machen wir die Schnittstellen dieser verschiedenen Intelligenzen sichtbar, was uns helfen kann, eine Vorstellung von der Zukunft zu bekommen und unsere Angst vor zukünftigen Entwicklungen wie der KI zu verringern. Random International wirft die Frage auf: „Kann KI eine Form der menschlichen Evolution sein?“

Was ist das Besondere an den Installationen von Random International?
„Zunächst einmal entwerfen sie ihre eigenen Projektionsflächen; sie arbeiten nicht mit fertigen Produkten. Sie entwerfen Raster, und das Licht wird innerhalb dieses Rasters modelliert. Und sie sind in der Lage, moderne Technologie so anzupassen, dass diese für ihre Kunstwerke anwendbar wird: Das digitale Kunstwerk Presence and Erasure (Anwesenheit und Auflösung) erzeugt temporär aufgezeichnete Porträts von vorbeigehenden Personen. Das Kunstwerk scannt ständig Gesichter im Raum und fotografiert sie. Sie bleiben nur für sechzig Sekunden sichtbar und verschwinden dann. In dieser Installation wird eine Überwachungstechnologie verwendet, die häufig für Kameras im öffentlichen Raum eingesetzt wird. Die Frage, die uns gestellt wird, ist, ob der Kick, uns selbst zu sehen, mehr zählt als die Verletzung unserer Privatsphäre. Und diese Entscheidung liegt ganz allein bei Ihnen.“

Curator Bogomir Doringer under the installation Our Future Selves, Random International, Photo Etienne Boileau
Curator Bogomir Doringer under the installation Our Future Selves, Random International, Photo: Etienne Boileau

Nxt Museum Amsterdam zeigt
Random International: Life in a Different Resolution

  1. September 2023 – 30. Juni 2024
    www.nxtmuseum.com

Über den Autor/ die Autorin

Etienne Boileau

Etienne Boileau ist ein in Rotterdam lebender Journalist und Autor.

Übersetzung

Sybille Hayek

Sybille Hayek ist Lektorin und Übersetzerin. Seit 2022 unterstützt sie unser Team ehrenamtlich mit ihrem geschulten Blick fürs Detail und einer großen Liebe zur Sprache.

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