Josua Wechsler l Exos l Cortenstaal l Photo G.J. Hoogland
Magazin

Josua Wechsler auf der Noordwijk Biennale

„Mit meiner Arbeit versuche ich, zwischen Natur und Mensch zu vermitteln.“

Kunstschaffende sind meisterhaft im Visualisieren, in der Imagination und der Argumentation. Mit ihren Werken erzählen sie Geschichten, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Josua Wechsler erforscht in seinen Skulpturen die Beziehungen zwischen Mensch und Natur. Als Künstler will er uns sein Staunen über die natürlichen Prozesse des Werdens und Vergehens vermitteln. Für die Biennale in Noordwijk hat er eine Skulpturengruppe geschaffen, die aus vier wunderbaren aufrecht stehenden Farnblättern besteht.

Josua Wechsler l Exos l Cortenstaal l Photo G.J. Hoogland
Josua Wechsler l Exos l Cortenstaal l Photo G.J. Hoogland

Mein Interview mit Josua Wechsler (St. Gallen, Schweiz, 1986) findet in seinem Atelier in Ospel unweit des Naturschutzgebiets De Groote Peel statt. Vor einem Jahr haben er und seine Partnerin ein großes Grundstück mit mehreren Gebäuden und Stallungen gekauft, von denen er eine als Atelier nutzt. Erst vor kurzem hat Josua dort einen Gemüsegarten angelegt, und es gibt Pläne für einen angrenzenden Waldgarten. Wir sprechen über seine Liebe zur Natur, seine Wanderungen, die er regelmäßig durch die unwegsame Natur unternimmt, und die Veränderungen, die notwendig sind, um unseren Planeten als lebenswert zu erhalten.

In vielen Ihrer Arbeiten finden sich Pflanzen- und Blattformen. Warum ist das so?
Meine Arbeit dreht sich um den Kreislauf von Werden und Vergehen und den Prozess des Wachstums an sich. Ich arbeite viel mit Wuchsformen, aber auch mit Skeletten von Pflanzen und Bäumen, die im Zerfall begriffen sind. Nehmen wir zum Beispiel die Arbeit Unlimited Growth (Grenzenloses Wachstum), eine mit schwarzem Material umwickelte Kiefer; was tatsächlich ein sehr kritisches Werk ist. Hier geht es um unseren ökologischen Fußabdruck. Wir sind der Meinung, dass ein unbegrenztes Wachstum möglich ist, aber durch all das Wachstum nimmt die Artenvielfalt der Natur allmählich ab. So schaffen wir am Ende den Zerfall unserer eigenen Umgebung. Wachstum ist immer noch das Leitmotiv unserer Gesellschaft, aber in der heutigen Zeit geht es mehr darum, was man in Sachen Konsum nicht macht.

Josua Wechsler l Fern Circle  l 2023 l aluminium varnish l Foto Josua Wechsler
Josua Wechsler l Fern Circle l 2023 l aluminium varnish l Foto Josua Wechsler


Und dennoch verfolgen Sie in Ihrer Arbeit einen eher positiven Ansatz zu Natur- und Umweltfragen?

Ich mag es ganz besonders, meine Faszination für natürliche Prozesse in einer Skulptur zu verarbeiten und diese dann in einen (Wohn-) Raum zu bringen, um so ein menschlicheres, lebenswerteres Umfeld zu schaffen. Für den Außenraum gelten für mich andere Kriterien.

Josua Wechsler l Exos l 2021 l corten steel l Photo Josua Wechsler
Josua Wechsler l Exos l 2021 l corten steel l Photo Josua Wechsler

Dann sucht Josua auf seinem Laptop die Fotos seiner Präsentation für die Noordwijk Biennale heraus und zeigt mir vier aufrecht stehende Farne, die im Kreis angeordnet auf einer kleinen Insel im Naturpark Nieuw Leeuwenhorst zu finden sind.

 

Warum Farne?
Ein Farn löst bei mir so etwas wie ein Urgefühl aus. Farne gibt es schon viel länger als uns Menschen, weil sie sich als Art stets an die sich verändernden natürlichen Bedingungen anpassen konnten. Das hat ihnen das Überleben gesichert. Um Anpassungsfähigkeit geht es auch bei dieser Biennale, die den Titel „Übergänge - Kunst auf spirituellem Boden“ trägt. Oder anders ausgedrückt: Wie gehen wir mit den Veränderungen um, die notwendig sind, um in unserem natürlichen Lebensraum eine Zukunftsperspektive zu haben?

Diese vier Farne unterscheiden sich in ihrer Form. Steckt da ein bestimmter Gedanke dahinter?
Ich wollte der dort vorhandenen Natur etwas hinzufügen, ein Motiv, das sich auf die Natur bezieht, aber nicht so wirklich Natur ist. Meine stehenden Farne bilden einen Kreis, genau wie die umliegenden Bäume. Als Betrachter*in verspürt man dadurch das Bedürfnis, um sie herumzugehen. Ich habe vier Stadien des Wachstums eines Farns dargestellt: einen Farn, der im Entstehen begriffen ist, die entfaltete Version eines Farns mit einer Höhe von 3,7 Metern und zwei Farne, die fast zerfallen sind. Diese beiden Farne haben den Höhepunkt ihrer Lebenszeit bereits überschritten. Im Gegensatz dazu steht ein junger, sich entfaltender Farn als Symbol für Kraft und Wachstum für einen Neuanfang. Er steht für ein positives Bild der Zukunft.

Josua Wechsler l Fern Circle l 2023 l aluminium varnish l Foto Josua Wechsler
Josua Wechsler l Fern Circle l 2023 l aluminium varnish l Foto Josua Wechsler

Hat die Skulpturengruppe auch eine metaphorische Bedeutung?
Auf der Insel gibt es wunderschöne alte Buchen, die verschlungene Formen haben und kreisförmig angeordnet sind. Diese Art von Plätzen mit Kreisen aus Bäumen waren in früheren Zeiten Orte, an denen Zusammenkünfte stattfanden und Rituale durchgeführt wurden. In unserer Zeit gibt es das so gut wie nicht mehr. Wir treffen uns über Zoom oder Skype. Es wäre doch schön, wenn wir solche Besprechungen oder Diskussionen in einer natürlichen Umgebung abhalten würden. Eine derartige Umgebung mit Bäumen und Farnen kann unsere Gedanken und Entscheidungen sicherlich auf positive Weise beeinflussen; wir müssen anfangen, darüber nachzudenken, wie wir auf den heutigen Klimawandel reagieren wollen und wie wir dementsprechend unser Verhalten verändern.

Josua Wechsler l Fern Circle  l 2023 l aluminium varnish l Foto Josua Wechsler
Josua Wechsler l Fern Circle l 2023 l aluminium varnish l Foto Josua Wechsler

Ist der Mensch überhaupt anpassungsfähig?
An sich schon, ja. Wir waren auf dem Mond und sind in der Lage mit Hilfe von Werkzeugen und unserem technischen Erfindungsreichtum in die Tiefen der Meere vorzudringen. Aber es ist schwierig für uns, unsere Gewohnheiten zu ändern und den richtigen Weg einzuschlagen. Wir müssen jetzt kritischer hinschauen und handeln.

In einem früheren Interview haben Sie gesagt, dass Sie sich oft fragen, wie Sie ein Leben führen können, in dem Sie ein wertvoller und bewusster Teil der Welt sind, in der Sie leben. Haben Sie das inzwischen herausgefunden?
Das ist tatsächlich eine ständige Herausforderung. Viele Probleme in der Gesellschaft entstehen, weil die Menschen nicht ausreichend mit ihrer Umwelt und der Natur verbunden sind. Sie fühlen sich nicht mit Umwelt und Natur im Einklang. Wenn ich an mir selbst merke, dass ich mich zu sehr von der Natur entferne, mache ich mich auf den Weg zu abenteuerlichen Entdeckungsreisen durch die Natur. Ich mache dann zum Beispiel eine Fahrt mit dem Stand-up-Paddle-Board über den Rhein, lebe einen Monat lang in einer Höhle an einem abgelegenen Ort in der Schweiz oder unternehme eine Radtour durch die Berge. Dann besinnt man sich wieder auf die elementaren Dinge des Lebens: dass man nicht friert, dass man etwas zu essen hat, dass man ein Dach über dem Kopf hat.

Und in Ihrer Arbeit als Bildhauer? Sind Sie dort nicht auch ein Umweltverschmutzer?
Je nachdem, welche Materialien ich verwende, wird die Ausführung ohnehin immer problematischer. Ich bin noch auf der Suche nach Lösungen, auch hier muss sich etwas ändern. Am besten wäre es, nur mit natürlichen Materialien zu arbeiten, aber das ist nicht immer möglich. Wenn man nur mit natürlichen Materialien wie Holz arbeitet, verrotten die Skulpturen viel schneller. Deshalb ist es manchmal notwendig, industriell hergestellte Stoffe zu verwenden. Auch die Verwendung von Bronze (einer Legierung aus Kupfer und Zinn) und Aluminium kann man in Frage stellen; alle Rohstoffe, die abgebaut werden müssen, sind eigentlich problematisch.
Natürlich ist Holz als Material gut geeignet, vorausgesetzt, es werden neue Bäume gepflanzt. Und für meine Arbeit verwende ich tatsächlich Bäume, die durch Sturmschäden gefällt wurden. Ich verwende kein Holz aus dem tropischen Regenwald oder einem Urwald.

Würde es helfen, der Natur Rechte einzuräumen und diese Rechte in einem internationalen Vertrag zu verankern, so dass Organisationen Klagen im Namen der Natur erheben könnten?
In Neuseeland sind einem Fluss bereits Rechte verliehen worden; dieser Prozess wurde von den Ureinwohnern in die Wege geleitet. Aber das wird nicht passieren, wenn man sich den Rhein ansieht. Die wirtschaftliche Bedeutung für die Binnenschifffahrt ist dort viel zu groß. Als ich über den Rhein gepaddelt bin, habe ich mich gefragt: „Ist das ein Fluss oder eine Autobahn?“ In den letzten Jahren ist der Rhein übrigens viel sauberer geworden, man kann darin fischen und auch wieder schwimmen.

Glauben Sie, dass Sie mit Ihrer Kunst einen positiven Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten können?
Ich bin ein Teil dieser Gesellschaft, zu der auch ich einen Beitrag leisten möchte. Als Künstler verstehe ich mich als einen Vermittler zwischen Natur und Mensch. Mit meiner Arbeit möchte ich den Menschen einen Zugang zu einer anderen Sichtweise auf die natürlichen Vorgänge in der Natur ermöglichen und sie für diese Vorgänge faszinieren. Ich wünsche mir, dass bei den Menschen, die meine Arbeiten betrachten, das Bewusstsein für die Natur geweckt wird. Und dass sie anfangen zu begreifen, dass die Dinge anders gemacht werden müssen.

Josua Wechsler on his SUP board across the river Rhine l Feb 2021 l Photo Wouter Zweers
Josua Wechsler on his SUP board across the river Rhine l Feb 2021 l Photo Wouter Zweers

 

Autor: Etienne Boileau

 

Aus dem Englischen übersetzt von Sybille Hayek.

 

Weiterführende Links:

www.josuawechsler.com

www.biennalenoordwijk.nl (21. März – 21. August 2023, freier Eintritt)

Dieser Artikel erschien in gekürzter Form im Beeldenmagazine 3 # 2023
www.beeldenmagazine.nl

 

 

Über den Autor/ die Autorin

Etienne Boileau

Etienne Boileau ist ein in Rotterdam lebender Journalist und Autor.

Übersetzung

Sybille Hayek

Sybille Hayek ist Lektorin und Übersetzerin. Seit 2022 unterstützt sie unser Team ehrenamtlich mit ihrem geschulten Blick fürs Detail und einer großen Liebe zur Sprache.

Galerie

Josua Wechlser l UnlimitedGrowth l 2017 l wood, epoxy, aluminium, varnish l Photo Josua Wechsler
Josua Wechlser l UnlimitedGrowth l 2017 l wood, epoxy, aluminium, varnish l Photo Josua Wechsler
Josua Wechsler l Exos l 2021 l corten steel l Photo Josua Wechsler
Josua Wechsler l Exos l 2021 l corten steel l Photo Josua Wechsler
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