FENIX museum building, Katendrecht, Rotterdam, photo: Creative Commons
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Fenix Museum Rotterdam: Ein neues internationales Kunstmuseum zum Thema Migration

Fenix, ein neues internationales Kunstmuseum, wurde im Mai 2025 an einem markanten Standort im Rotterdamer Stadthafen für das Publikum zugänglich gemacht. In diesem Museum werden Themen, die im Zusammenhang mit Migration stehen, aus einer künstlerischen Perspektive beleuchtet. Hier trifft man auf eine riesige Fotoausstellung, eine immense Sammlung von Koffern und zwei weitläufige Galerieräume voller zeitgenössischer Kunst. Das Museum befindet sich in einem ehemaligen Lagerhaus, das vom chinesischen Architekten Ma Yansong von MAD Architects umgestaltet wurde. Der Architekt hat mitten in das Gebäude eine Treppe in Form eines Tornados gesetzt. Das Gebäude ist schlichtweg großartig, aber wie sieht es mit der Sammlung aus? Lohnt sich ein Besuch?

Gebäude mit Aussicht

Das Fenix-Gebäude umfasst eine Fläche von 16.000 Quadratmetern und stammt aus dem Jahr 1923. Es war einst Teil des größten Lagerhauses der Welt. Es diente als Lager- und Versandgebäude für die Holland America Line (HAL). Die HAL war ein Handelsunternehmen, das im 19. und 20. Jahrhundert die Reisen von Millionen von Migranten ermöglichte, die in den umliegenden Docks von Rotterdam ankamen und abfuhren. Wer heute das Gebäude besucht, sieht sofort The Tornado, eine Doppelwendeltreppe, die vom Erdgeschoss aus nach oben führt und auf dem Dach in eine Aussichtsplattform mündet, die hoch über der Stadt schwebt. Von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf die Wolkenkratzer von Rotterdams Innenstadt. Ma Yansong, Gründer von MAD Architects: „The Tornado dreht sich ganz um die Zukunft, hat aber seine Wurzeln in der Vergangenheit. Für mich steht er als Metapher für all diejenigen, die auf ihren Reisen dieses Gebäude passiert haben.“

Shilpa Gupta, Untitled (Gate), 2009, photo Gerrit Jan Hoogland
Shilpa Gupta, Ohne Titel (Tor), 2009, Foto: Gerrit Jan Hoogland

Eine vielfältige Sammlung an Kunstwerken

Das Museum erstreckt sich über zwei Etagen und verfügt über eine Reihe von weitläufigen Galerieräumen mit einer faszinierenden Foto- und Kunstsammlung, die ständig erweitert wird. Die Kunstausstellung All Directions im ersten Stock zeigt etwa 150 Kunstwerke und Objekte, die über den Zeitraum der letzten fünf Jahre erworben wurden. Die Ausstellung ist überaus großzügig angelegt und beherbergt eindrucksvolle Kunstwerke wie das von Shilpa Gupta geschaffene Eisentor (Untitled, 2009), das alle 30 Minuten gegen eine Gipswand schlägt. Mit jedem Schlag des Tores bröckelt die Wand dahinter ein Stückchen mehr ab. Gupta zeigt, was eine Grenze für diejenigen ist, die von ihr ausgegrenzt werden: ein erbarmungsloser Hieb. Aber irgendwann fällt jede Mauer, wie die Berliner Mauer, die im Jahr 1989 wieder eröffnet wurde. Ein Teil davon ist jetzt im Fenix zu sehen, komplett mit Graffiti.

Und es gibt noch viel mehr interessante Kunst zu entdecken: eine wunderbare Fotoserie mit dem Titel Diaspora des senegalesischen Fotografen Omar Victor Diop, in der er inszenierte Selbstporträts zeigt, die von historischen Gemälden afrikanischer Männer aus dem 16. bis 19. Jahrhundert inspiriert sind. Er verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart, indem er in jedes Bild ein Objekt aus dem Bereich des Fußballs integriert und uns damit zeigt, dass afrikanische Fußballspieler heutzutage zwar bewundert, gleichzeitig aber auch weltweit diskriminiert werden.

Im Auftrag von Fenix schuf die israelische Künstlerin Efrat Zehavi 116 kleine Porträts aus Ton von Fremden, die an ihr vorbeigingen, während sie die Frage „Wohin gehst du?“ stellte. Die Porträts bestehen aus den Köpfen der Vorbeiziehenden, die auf dünnen Stäben aufgespießt und auf einem hohen Tisch platziert sind. Auf dem Tisch finden sich einige Gesichter, die einem vertraut erscheinen, sowie alle nur denkbaren Hautfarben und Ethnien. Eine gelungene Kombination bilden die Werke Almost There von Narges Mohammadi und The Bottari Truck der südkoreanischen Künstlerin Kimsooja. Beide Installationen sind in unmittelbarer Nähe zueinander ausgestellt, sodass man sofort die Verbindung zwischen ihnen erkennt. Kimsooja zeigt einen alten Peugeot, der vollständig mit Habseligkeiten von Flüchtlingen beladen ist, während Mohammadi mehrere Möbelstücke aus Ton präsentiert, die dicht beieinander stehen, so als wären sie bereit für den Abtransport ins Ausland. Ebenfalls in dieser Ausstellung vertreten sind: Francis Alÿs, Sophie Calle, Jeremy Deller, Rineke Dijkstra, Alfredo Jaar, William Kentridge, Steve McQueen, Adrian Paci, Gordon Parks, Grayson Perry, Ugo Rondinone, Yinka Shonibare, Alfred Stieglitz, Bill Viola und Danh Vō.

Jay Ullal, Libanon 1983
Foto: Jay Ullal, Lebanon, 1983

Koffer und Fotografie

Im Erdgeschoss des Museums sind zwei weitere Ausstellungen zu sehen, eine davon mit dem Titel Suitcase Maze (Kofferlabyrinth), die aus einer Sammlung von mehr als zweitausend Koffern besteht. Mittels einer Audioführung kann man sich hier die Schicksale ihrer ehemaligen Besitzer:innen anhören. Die andere Ausstellung im Erdgeschoss trägt den Titel Die Familie der Migranten und besteht aus mehr als 194 Fotografien zum Thema Migration mit Aufnahmen aus insgesamt 55 Ländern. Die Werke reichen vom späten 19. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart und sind eine Mischung aus Dokumentarfotos, Porträts und Fotojournalismus, die aus internationalen Archiven, Museumssammlungen, Bilddatenbanken und Zeitungen stammen. Hier wird deutlich, wie vielfältig die Beweggründe für Migration sind. Man wird mit den Tragödien des Krieges und der zerstörerischen Kraft von Bombenangriffen, aber auch mit den Ängsten konfrontiert, die der Klimawandel auslöst und die Menschen zur Flucht zwingen. Man erlebt die Strapazen, die sie während ihrer langen Reise erdulden müssen, die keineswegs immer nur ein gutes Ende findet. Doch in den Fotos schwingt immer auch ein Gefühl der Hoffnung mit: ein Foto von Niederländern, die in den 50er Jahren Rotterdam mit dem Schiff verlassen, um in den USA oder in Kanada ein besseres Leben zu finden, oder ein Foto der glücklichen Cidra, die mit ihrem Onkel Ahmed und ihrer Tante Jihan nach Schweden geflohen ist. Auf dem Foto sieht man, wie sie ihre Mutter anruft, die in Syrien zurückgeblieben ist. Und was soll man von der christlichen Braut und dem islamischen Bräutigam halten, die ganz in Weiß gekleidet inmitten der Ruinen von Beirut anzutreffen sind? Die Ausstellung Die Familie der Migranten berührt die Herzen des Publikums mehr als alles andere in diesem Museum. (Die ausgestellten Fotografien sind u. a. von Abbas, Eva Besnyö, Chien-Chi Chang, Fouad Elkoury, Robert de Hartogh, Lewis Hine, Ata Kandó, Dorothea Lange, Steve McCurry, Yasuhiro Ogawa, Emin Özmen und Sergey Ponomarev.)

Narges Mohammadi, Almost There 2020, Kimsooja, Bottari Truck -Migrateurs, 2007, photos Gerrit Jan Hoogland
Narges Mohammadi, Almost There, 2020, und Kimsooja, Bottari Truck-Migrateurs, 2007, Fotos: Gerrit Jan Hoogland

Die Geschichte von Fenix

Anne Kremers, Direktorin von Fenix: „Die Geschichte von Fenix ist untrennbar mit Rotterdam und seinen vielen Bevölkerungsgruppen verbunden, aber diese Geschichte ist auch die Geschichte der Welt. Es ist eine Geschichte von Ankunft und Aufbruch und von ständigem Wandel, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Von der Überwindung der Berliner Mauer, dem Aufbruch in die USA auf großen Dampfschiffen bis hin zur Ankunft neuer Gemeinschaften aus allen Teilen der Welt, um etwas aufzubauen, zu erschaffen, um zu lernen. Fenix ist ein Spiegel all dieser Erfahrungen und Schicksale von Menschen aus aller Welt, erzählt durch die Sichtweise der Kunst.“

Allerdings fehlt bislang etwas in den Ausstellungen von Fenix: Wenn man an die zahlreichen einwanderungsfeindlichen Äußerungen denkt, die derzeit von rechtsextremen Bewegungen in Europa und den USA zu hören sind, beispielsweise von Wilders mit seiner PVV in den Niederlanden oder der AfD in Deutschland. Im Fenix finden sich keine Anzeichen derartiger Bewegungen. Aktuell werden unter der Präsidentschaft von Donald Trump unzählige Einwanderer ohne Papiere aus den Vereinigten Staaten abgeschoben; die Bilder dieser brutalen Vorfälle sollten auch hier gezeigt werden.

Fazit

Yinka Shonibare, Refugee Astronaut IX, 2024 , photo Gerrit Jan Hoogland
Yinka Shonibare, Refugee Astronaut IX, 2024, Foto: Gerrit Jan Hoogland

Fenix vermittelt eine neutrale Sichtweise auf das Thema Einwanderung und die zugrundeliegenden Ursachen, die in erster Linie humanitärer Natur sind und aus der Perspektive der Migranten betrachtet werden.
Die Zuwanderung hat jedoch auch erhebliche Auswirkungen auf die bereits in einem Land lebenden Einwohner, die die Neuankömmlinge im besten Fall willkommen heißen, oft jedoch gegen deren Ankunft protestieren. Natürlich ist es da weit weniger provokativ, das Werk Astronaut IX von Yinka Shonibare zu zeigen. Eine einsame Gestalt trägt ein Netz, prall gefüllt mit Habseligkeiten: einer Teekanne, einer Lampe, Briefen, einem Hocker und einem Koffer. Es ist der Astronaut als Nomade auf seiner Suche nach einer neuen Heimat auf einem sicheren Planeten. Mit dieser Arbeit thematisiert Shonibare die weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels und die damit einhergehende zunehmende Zwangsmigration. Was werden wir tun, wenn unser Planet nicht länger bewohnbar sein wird?



 

 



 

Dieser Artikel wurde von Etienne Boileau in Englisch verfasst.

Über den Autor/ die Autorin

Etienne Boileau

Etienne Boileau ist ein in Rotterdam lebender Journalist und Autor.

Übersetzung

Sybille Hayek

Sybille Hayek ist Lektorin und Übersetzerin. Seit 2022 unterstützt sie unser Team ehrenamtlich mit ihrem geschulten Blick fürs Detail und einer großen Liebe zur Sprache.

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