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20 Jahre Sculpture Network: Martine Seibert-Raken und die Kraft der Gemeinschaft

Zur Feier unseres 20-jährigen Jubiläums freuen wir uns darauf, zwanzig außergewöhnliche Mitglieder vorzustellen, deren künstlerische Wege eng mit Sculpture Network verbunden sind und einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Sculpture Network ist stolz darauf, Künstler:innen zu unterstützen, deren Kreativität und Lebensumstände tief mit ihrer Umgebung und lokalen Gemeinschaften verwurzelt sind.

Unter ihnen ist Martine Seibert-Raken, eine Künstlerin, deren Karriereentwicklung eine harmonische Mischung darstellt aus natürlicher Inspiration, architektonischer Klarheit und einer außergewöhnlichen Fähigkeit, durch ihre Arbeiten Menschen miteinander in Verbindung zu bringen.

Kontraste haben das Leben der in Lüneburg geborenen und in Algerien, den Niederlanden und Deutschland aufgewachsenen Seibert-Raken immer beeinflusst. Ihre Kindheit in Algerien, geprägt von der Mittelmeerküste und den zerklüfteten Landschaften des Atlas-Gebirges hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck auf ihre künstlerische Sensibilität. Der spätere Umzug ihrer Familie in die Niederlande mit ihren strukturierten Landschaften schärfte Seibert-Rakens Bewusstsein für die Spannung zwischen Chaos und Ordnung, ein ständig wiederkehrendes Thema in ihren künstlerischen Arbeiten. Diese frühen Erfahrungen inspirierten die lebenslange Begeisterung der Künstlerin für Brüche und Unvollkommenheiten als Chancen für kreative Gestaltung.

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Die Kindheit von Martine Seibert-Raken in Afrika

Ihre künstlerischen Grundlagen legte Seibert-Raken mit der Ausbildung zur Tischlerin, was ihr half, die Bedeutung von Materialität und Handwerkskunst zu verstehen. Anschließend studierte sie Architektur und entwickelte so einen genauen Blick für Raum, Perspektive und das Zusammenspiel zwischen Form und Funktion. Diese einmalige Mischung aus technischem Können und konzeptioneller Vision legte die Grundlagen für ihre Installationen, die in der Lage sind, Räume in intensive, zum Nachdenken anregende Erlebnisse zu verwandeln.

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Martine Seibert-Raken im Einsatz

Die Mitgliedschaft bei Sculpture Network im Jahr 2017 war ein entscheidender Meilenstein in Seibert-Rakens künstlerischer Entwicklung. Inzwischen wohnte sie bereits in Unkel am Rhein, angezogen von dieser Region mit ihrem Wechselspiel zwischen Wasser, Gestein und Licht, eine Reminiszenz an die Landschaften ihrer Kindheit. Bei einem Spaziergang durch Unkel fiel Seibert-Raken das verlassene Hotel Löwenburg auf, ein heruntergekommener Bau mit enormem, brachliegendem Potenzial. An genau demselben Tag („und das kann kein Zufall sein“, sagte sie uns) erfuhr sie über die Social-Media-Seite eines Kollegen von start’18, dem internationalen Fest für zeitgenössische Skulptur, organisiert von Sculpture Network. Bis zu diesem Tag wusste sie nichts über diese Gemeinschaft von Künstler:innen, Kunstexperte:innen und Kunstliebhaber:innen. „Sculpture Network eröffnete mir eine Welt, von der ich nicht einmal wusste, dass ich sie gesucht hatte“, sagte sie.

Die Synergien zwischen ihrer Vision und dem Programm dieser internationalen Veranstaltung brachte sie dazu, ein Projekt einzureichen, das dem Hotel ein neues Leben einhauchen sollte. Mit nur zehn Wochen an Vorbereitungszeit zur Verfügung mobilisierte Seibert-Raken die Unterstützung der Bewohner:innen von Unkel. Zusammen fertigten sie eine ambitionierte Drahtinstallation von tausend Metern Länge an und verwandelten so das Hotel in ein lebendiges Kunstwerk. Das Projekt wurde im Rahmen von start’18 live und zusammen mit Installationen von Künstler:innen aus der ganzen Welt vorgestellt und erlangte so weltweite Aufmerksamkeit. Auf diese Weise rückte nicht nur Unkel ins Rampenlicht, sondern auch Seibert-Rakens Fähigkeit, Kunst und Gemeinschaft miteinander in Verbindung zu bringen. „Ich schaue auf 2017 zurück als das Jahr, in dem ich nicht nur meine Kunst entdeckte, sondern auch feststellte, welche Kraft Gemeinschaft und Netzwerkbildung entfalten können.“


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Martine Seibert-Raken, Hotel Löwenburg 2018

Der Erfolg ihres Projekts eröffnete überraschende Möglichkeiten. Das European Cultural Centre (ECC) in Venedig, auch Teil von start’18, wurde auf ihre Arbeit aufmerksam und lud Seibert-Raken ein, ihre Installationen auf der Biennale 2019 im Rahmen der Ausstellung „Personal Structures“ im Palazzo Mora zu zeigen – ein Meilenstein, der das internationale Profil der Künstlerin deutlich stärkte.

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Martine Seibert-Raken, Personal Structures in Palazzo Mora, Venedig (draußen) 2019
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Martine Seibert-Raken, Personal Structures in Palazzo Mora, Venedig (drinnen) 2019

„Dieser Weg – von der Idee, entstanden vor dem alten Hotel Löwenburg, bis zur Einladung nach Venedig – war ein einziges großes Abenteuer, voller unerwarteter Wendungen, Begegnungen und unglaublicher Momente. Ohne Sculpture Network, das mich mit der internationalen Kunstszene zusammenbrachte, und ohne die Unterstützung der Bewohner:innen von Unkel wäre all das nicht möglich gewesen“, führte die Künstlerin weiter aus.

Seit 2019 arbeitet Seibert-Raken an der fortlaufenden Serie Es war einmal..., die ihre künstlerische Philosophie verdeutlicht. Ihre Installationen sind poetische Ergründungen von Orten und integrieren Geschichte, Natur und gesellschaftsrelevante Fragestellungen. Mittlerweile umfasst die Serie Arbeiten, die die Beziehung zwischen Menschen und deren Umgebung untersuchen und kraftvolle Pop-Art-Ästhetik mit der Tiefe von Stille und Reflexion verbinden.

Im Jahr 2024 gewann Seibert-Raken den ArteLaguna Mandranova Special Prize , und so wird ihr nächstes Projekt in Mandranova, Sizilien von der reichen Geschichte der Region und der atemberaubenden Schönheit der dortigen Natur inspiriert sein und damit die sich stets neu definierende Entwicklung der Künstlerin um ein neues spannendes Kapitel ergänzen. Für diese Folge von Es war einmal..., wird sie das Narrativ der Serie an dieses besondere Umfeld individuell anpassen. Die Installationen werden die Kraft und den Rhythmus dieses Ortes einfangen und an die Betrachtenden die Frage stellen: Was bedeutet es, sich mit der Natur, der Erde und der Geschichte eines Landes verbunden zu fühlen?

Wenn wir auf den künstlerischen Weg von Martine Seibert-Raken zurückblicken, wird klar, dass ihre Mitgliedschaft bei Sculpture Network ein Impulsgeber für ihre Entwicklung, Sichtbarkeit und für neue Chancen gewesen ist. Angefangen mit ihrem ersten Community-Projekt in Unkel bis hin zur internationalen Bühne in Venedig verdeutlicht ihre Geschichte, wie kraftvoll eine künstlerische Vision sein kann, wenn sie in Zusammenarbeit entsteht und Unterstützung von anderen erfährt. Seibert-Rakens Arbeiten bereichern nicht nur die Kunstwelt, sondern führen uns vor Augen, wie innovativ und kraftvoll Kreativität in der Gemeinschaft mit anderen sein kann.

 

Ilaria Specos hat diesen Text auf Englisch verfasst.

Über den Autor/ die Autorin

Ilaria Specos

E-Mail: ilaria.specos@sculpture-network.org
Tel: +49 89 89 516 897 91
Working hours: Mon/Fri 8:30 - 13:30

Übersetzung

Elka Parveva-Kern

Elka Parveva-Kern unterstützt Sculpture Network seit 2024 als Übersetzerin - eine wunderbare Gelegenheit, ihr langjähriges Interesse an Sprachen und Kunst zu verbinden.

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