Die Magie des schmelzenden Eisens
Der Online Club vom 4. Juli 2022 stand regelrecht in Flammen!
Unsere drei Präsentator:innen eröffneten 40 Interessierten an diesem Abend Einblick in ein fast kulthaftes Fest im Zeichen des Elements Feuer, der Materialen und der kreativen Prozesse - die ICCCIA, die internationale Konferenz über zeitgenössische Gusseisenkunst, deren 9. Edition vom 16. bis 20. September in Berlin stattfinden wird.
Als erste stellte Susanne Roewer, Mitglied von sculpture network und Kuratorin des ICCCIA in Berlin ihren eignen künstlerischen Werdegang und ihre Arbeiten vor, gefolgt von Jenny K. Hager, ICCCIA Vize-Präsidentin und D. Lance Vickery, ICCCIA Präsident.
Suzanne Roewer studierte erst Materialwissenschaften an der TU Bergakademie Freiberg bevor sie an die Universität der Künste Berlin zu Bildhauerei und Grafik wechselte. Eine Spannende Mischung, die die Begeisterung für das Experimentieren, ihr Verständnis für das Zufallsprinzip und die Bereitschaft zu scheitern mit in ihre künstlerische Praxis bringt. Ihre Arbeiten speisen sich zum einen aus ihrem tiefen Verständnis und ihrer Faszination für die Eigenart und die Geschichte verschiedenster Materialien wie Glas, Bronze und Eisen, die sie zum Teil miteinander kombiniert. Zum anderen fußen sie in umfangreichen Recherchen und Beobachtungen zu historischen Figuren und Ereignissen, zur Volkskunst und zu alten Märchen, aber auch zu aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen und Ereignissen, die mit viel künstlerischer Sensibilität und nicht ohne einen gewissen konzeptuellen Witz in ihre Werke einfließen lässt.
Ein Beispiel ist die Arbeit Selfie between Litho & Atmo, 2017 bei der sich weich fließendes, klares Glas mit kantigem, rohem und schmutzigem Stein zu einer organischen, formschlüssige Einheit finden, ohne aber tatsächlich aneinander fixiert zu sein. Das Werk steht sinnbildlich für den Charakter der Präsentation dieses Online Clubs, bei der es um das Wechselspiel zwischen festen, klaren Formen und Staub, Hitze und Materie geht.
Susanne Roewer kennt über ihre Ausbildung an der Kunstakademie alle klassischen Techniken der Bildhauerei. Aber ihr wurde schnell bewusst, dass es noch weiter gehen muss.
Es war schließlich ein 'Gussunfall´, der ein Schlüsselmoment für die Künstlerin markierte, als ihr Entwurf für eine große Skulptur während des Scottish Sculpture Workshop in Metall gegossen werden sollte. Risse in der Gussform platzten explosionsartig auf und das flüssige Metall trat unkontrolliert aus der Form. Ein gefährlicher Moment, in dem die Künstlerin jedoch voller Faszination Feuer als ihr Element entdeckte und beschloss, den Prozess des Gießens weniger als reine Übersetzungspraxis zu sehen, sondern mehr als prozesshaften Teil des Kunstwerkes bzw. als eigene Kunstform an sich.
Das gemeinschaftliche Arbeiten und die Begegnung mit unterschiedlichsten Künstlern, darunter Coral Lambert und besonders George Beasley im Rahmen dieses Workshops markiert einen weiteren Schlüsselmoment, der ihr ganz neuen unkonventionellen und künstlerisch inspirierte Gussmethoden eröffnete.
Zudem führten diese Begegnungen zu beeindruckenden Zusammenarbeiten, darunter z. B. die Ausstellung Elemental Attraction mit George Beasley im Fort Wayne Art Museum in Indiana 2016.
Hier wurde im Rahmen einer Arbeit von Beasley am Tag for der Ausstellung ein Hochofen aus simplen gesammelten Holzstöcken und Schlamm errichtet, durch den dann vor begeistertem Publikum in einem spektakulären Event aus Feuer und Funken Metall durch Bambusrohre gegossen wurde. Die Teilnehmenden hielten sie Rohre ohne Hilfsmittel nur in Schutzkleidung gehüllt. Eine unvorstellbar direkte Interaktion mit dem Feuer und den Materialien mit einer Art brennender Skulptur, bei der das Resultat nicht im Vordergrund steht, sondern der Prozess an sich zur Performance wird. Die gegossenen Stücke waren bei diesen Performances jeweils X-förmige Kreuze, die in einer alten irischen Schriftform die Daten des Gusses zeigten und so ebenfalls dem Prozess selbst Zeugnis trugen.
Suzanne Roewer nahm anschließend an weiteren Konferenzen rund um die Gießkunst Teil, wie der International Sculpture Conference in Miami 2013, sowie der 7th International Conference on Contemporary Cast Iron Art, in Lettland 2014.
Bei ersterer entstand das Motiv des Pferdekopfes, eine Arbeit, die Susanne Roewer später in Glas mit Silber weiter entwickelte und die sich auf die Quadriga des Brandenburger Tors in Berlin bezieht.
Links: Susanne Roewer, race with open end, casted at Miami ISC pour
Rechts: Susanne Roewer, Quadriga, glass and metal, 2022 as shown now on Veste-Coburg
Zentrales Element all dieser Veranstaltungen bildeten die jeweiligen Hochöfen, die in Zusammenarbeit der Künstler:innen entstanden, wie in Miami, wo die Künstlerin Coral Lambert einen vulkanartigen Ofen errichtete, dessen Spitze eine Phoenix Skulptur krönte begleitet von Performance und Choreografien verschiedener Künstler:innen.
Auch bei der 9. ICCCA in Berlin, bei der Susanne Roewer nun die kuratorische Leitung inne hat, wird ebenso das Zusammenarbeiten verschiedenster Künstler, der Gemeinschaftsgedanke, wie der Austausch im Zentrum stehen.
Im Anschluss an Susanne Roewers eindrucksvollen Einblick sprachen D. Lance Vickery und Jenny K. Hager über die Mission von ICCCIA und ihre eigene Arbeiten. Beide unterrichten an der University of North Florida in Jacksonville und sind bereits seit Jahren involviert in ICCCIA. Kürzlich haben sie die Führung übernommen und arbeiten nun gemeinsam mit Susanne Roewer und Kurt Dyrhaug an der 9ten internationalen Konferenz in Berlin.
Seit der ersten Konferenz 1988 im Sloss Furnaces National Landmark in Birmingham, Alabama, fand die ICCCIA an wechselnden Orten statt, zuletzt 2010 in Wales und 2014 in Lettland.
Als Ziel der ICCCIA beschrieben die beiden, eine internationale Plattform für die Erforschung und Praxis der zeitgenössischen Gusseisenskulptur zu schaffen und die weltweite Teilnahme am ästhetischen, konzeptionellen, kulturellen, historischen und technischen Dialog über zeitgenössische Gusseisenkunst anzuregen. Beide schilderten ihre ersten frühen Kontakte zur Gusseisenkunst, ihre Faszination und wie sie auch innerhalb ihrer eigenen Lehrtätigkeit bestrebt sind, ihren Studenten diese Techniken und den damit verbundenen Aspekt des gemeinschaftlichen Arbeitens nahe zu bringen.
Über die Bekanntschaft mit den Künstlern Charles Hook und George Beasley entdeckte D. Lance Vickery Anfang der 90er bei der zweiten ICCCIA seine Liebe zur Skulptur. Dabei sind ihm der Prozess und dessen performative Schönheit zwar wichtig, ebenbürtig steht jedoch auch das Resultat im Mittelpunkt. Seine Arbeiten beschäftigen sich mit der Wechselwirkung des Ausdrucks von Innerem gegenüber dem Äußeren. So gießt er für eine Serie von Arbeiten Eisen direkt in Holzstämme. Ein herausfordernder Vorgang, bei dem das flüssige Metall sich seinen Weg durch Risse und Schnittstellen sucht und somit das Material und der Prozess im inneren zugleich sichtbar an der Außenfläche werden.
Jenny K. Hager kam erstmals mit der Gusseisenkunst an der University of Kentucky in Berührung. Sie interessiert sich für eine Vielzahl von Verfahren und Materialien, darunter Stahl, Gusseisen, Holz aber auch Video, Digitalfotografie und gefundene Objekte, und lässt sich von Träumen, Gegenständen aus ihrer Kindheit, Spielereien, Meerestieren und anderen Kuriositäten inspirieren. In ihren Werken, oft große Schmuckstücke und weibliche Ziergegenstände, beschäftigt sie sich mit Gegensätzen wie Industrie versus Luxus oder maskuline versus feminine Energie.
Besonderen Reiz finden ihre Arbeiten in der Faszination für das Fehlerhafte, das Unperfekte. So verarbeitet die Künstlerin für ihre Objekte oftmals Dinge, die 'ungießbar' scheinen, wie ihre eignen Haare oder den Flügel eines Truthahns, die sie dann als Schmuckstücke in weißem Satin gebettet präsentiert.
Beide beschrieben die Gemeinschaft und den Prozess der Zusammenarbeit als einen der zentralen Aspekte der Gusseisenkunst. Und die Begeisterung war spürbar. Umso mehr als sie zum Ende der Präsentation einige Videos vergangener Konferenzen zeigten, in denen klar wurde, dass es hier mitnichten 'nur' um den Austausch über Techniken und die Produktion von Kunstwerken geht, sondern darum den Prozess zur Kunst zu machen, zu einem Happening. Es geht darum, gemeinschaftlich zu arbeiten und den Austausch zu suchen. So einzigartig jede Künstlerin und jeder Künstler in seinen resultierenden Werken und seinem Anteil an den gemeinschaftlichen Events ist und bleibt, eint sie gleichzeitig alle die Faszination und die Begeisterung an dieser Kunst in Flammen.
Zur 9. ICCCIA in Berlin sind alle eingeladen teilzunehmen, ob als Besucher, Beobachter oder als aktive Teilnehmer. Das Programm umfasst allein 10 Ausstellungen, darunter die sogenannte Kleine Eisenschau, an der registrierte Teilnehmer:innen kleinformatige Metallarbeiten präsentieren können. Des Weiteren wird es verschiedenste Workshops, Demonstrationen, theoretische Vorträge und Diskussionen und natürlich auch Performances geben.
Umfangreiche Informationen sowohl zur ICCCIA allgemein, als auch zur Berlin Edition, ihrem Programm und der Möglichkeit sich zu registrieren, finden Sie auf den folgenden zwei Seiten:
https://www.icccia.org/
https://www.iron-2022-germany.de/
Schnell anmelden und sich von der Faszination anstecken lassen!
Autorin: Julia Weiss
Julia ist Kunsthistorikerin aus München und arbeitet seit April 2022 für sculpture network.
Titelbild: Vulcano Furnace Performance Coral Lambert at the 7th ICCCIA in Pedvale, Latvia