Tradition trifft Moderne
Leiden hat das ganze Jahr über viel zu bieten. Besonders interessant wird es aber im Sommer, wenn dort die Skulpturenausstellung Beelden in Leiden stattfindet. sculpture network war vor Ort und hat diese aus erster Hand erlebt.
Seit 2011 dient die Hooglandse Kerkgracht, eine zentrale Straße im historischen Leiden (NL) und eine ehemalige Gracht, als malerische Kulisse für die jährliche Ausstellung zeitgenössischer Skulptur Beelden in Leiden. Die Ausstellung bietet vor allem jungen Bildhauerinnen und Bildhauern die Möglichkeit, ihre Werke zu präsentieren. Jedes Jahr erhalten zehn Newcomer einen Auftrag für eine Skulptur im Außenbereich. Bei unserem Dialogue, der von unserer Koordinatorin in den Niederlanden, Anne Berk, fabelhaft vorbereitet wurde, hatten wir die Gelegenheit, mit einigen dieser jungen Talente zu sprechen.
Drei junge Künstlerinnen und Künstler begleiteten unsere Gruppe auf dem Rundgang durch die farbenfrohe und faszinierende Ausstellung in dem ehemaligen Kanal, der heute mit Leben erfüllt ist. Jeder von ihnen teilte seinen ganz eigenen Blick auf die Ausstellung, das eigene Werk und seine Bedeutung für die zeitgenössische niederländische Skulptur mit uns und beantwortete alle Fragen des neugierigen Publikums. Diese drei repräsentieren die Vielfalt an Stilen, Materialien und Techniken, die bewusst für die Ausstellung gewählt wurde. Jeder der zehn Newcomer hat mit seiner Arbeit seine eigene Geschichte zu erzählen.
Koos Buster (*1991), der erst kürzlich sein Studium an der Keramikabteilung der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam abgeschlossen hat, verfolgt einen humorvollen Ansatz. Über seine Skulptur De omgevallen Scooter (der umgekippte Roller) sagt er scherzhaft: „Ich hasse Roller, deshalb habe ich einen Roller geschaffen, der auf den Boden gefallen ist.“ Obwohl wir ihn nicht ganz dazu bringen konnten, die Frage zu beantworten, woher dieser Hass auf Zweiräder kommt, wird diese Arbeit die meisten Menschen zum Lächeln bringen. Es ist eine Hommage an die trivialen Dinge des Lebens und eine Erinnerung daran, sich selbst und unsere Umgebung nicht zu ernst zu nehmen.
Tim Mathijsen (*1987) nimmt sein Werk etwas ernster; mit seiner skulpturalen Installation Park Liaison hinterfragt er die Traditionen im Prozess der Bildhauerei. Tim interagiert physisch mit einer bestehenden Skulptur, indem er einen Abdruck in Ton macht, der dann zum Ausgangspunkt für eine neue Skulptur wird. Diese interessante Technik verbindet und trennt ihn gleichzeitig von der Tradition der öffentlichen Skulptur. Dieses Werk regte das Publikum besonders zum Nachdenken an, denn wir alle mussten uns fragen, wie wir selbst die öffentliche Skulptur sehen, wie traditionell wir in unseren eigenen Ansichten sind.
Die dritte Künstlerin, mit der wir das Vergnügen hatten zu sprechen, war Romy Yedidia (*1990). Ihre nackte, gefesselte Frau mit dem Titel Fighting the Pedestal lässt Passanten innehalten. Da sie mitten an einem sehr öffentlichen Ort steht, wirkt sie verletzlich, unsicher und ein wenig fehl am Platz – und spiegelt damit den sozialen Druck auf Frauen wider, den perfekten Körper zu haben. Später erfahren wir, dass Romy diese Skulptur geschaffen hat, indem sie einen Abguss ihres eigenen Körpers als Grundlage angefertigt hat. Eine sehr mutige und zum Nachdenken anregende Skulptur.
Unsere Tour endet in einem Restaurant, im Gepäck haben wir viele Dinge, über die man nachdenken und reden kann. Wie üblich ist dieser Teil des Dialogues, in dem wir unsere Gedanken miteinander teilen können, fast der wichtigste: erfrischend, interessant und mit vielen neuen Ideen zum Mitnehmen.
Coverbild: Romy Yedidia, Fighting the Pedestal. Foto: Yke Prins