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Zoo-Meeting

Am vergangenen Freitag war es soweit. Nach neun Wochen Home-Office traf sich das sculpture network Team erstmalig wieder im gemeinsamen Büro. Kaum angekommen beschlossen Martina, Nina und ich uns selbst die Ankunft etwas zu versüßen und einen gemeinsamen, virtuellen Ausflug zu machen: in den sculpture network Tierpark. Zoo statt Zoom, hurra! Was kreucht und fleucht da wohl bei den Mitgliedern? Wir durchforsteten die Kunstwerke auf der Website nach Tieren...

Ein paar Klicks hier und ein paar Klicks da und schon eröffnete sich uns eine artenreiche Zookarte.

Und siehe da! Noch bevor wir überhaupt Tickets zu unserem imaginären Zoo lösen können stoßen wir vor den Eingangstoren auf einen recht offenherzigen, überlebensgroßen Affen, der uns sein Gemächt stolz entgegenstreckt.

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Denis Defrancesco, King Kong Balls Prague, 2019/2020,
Bronze / blaue Patina. 2,25 x 5,04 x 2,10 m


Nach wochenlanger Auseinandersetzung mit Frauen in der Kunst fragen wir uns, ob diese Begrüßung nun eine augenzwinkernde Erinnerung daran ist, auch die Männer und andere Geschlechter nicht aus den Augen zu verlieren. Wohl eine Frage des Anstands. Mit einem kleinen *Plopp* öffnet sich der Zooplan und Martina  liest laut vor, was da über den blauen Menschenaffen zu lesen ist:

Denis Defrancescos provozierende Arbeit King Kong Balls war und ist ein großer Erfolg – obwohl, oder gerade weil, sie auf den ersten Blick schnell als provokative und oberflächliche Kreatur abgestempelt werden kann. Doch gerade durch die öffentliche Platzierung und die Erlaubnis die Skulptur zu berühren, auf ihr herumzuklettern und sie zu erforschen, setzt der Künstler ein Statement der Freiheit.“

Wir beobachten einen Moment lang die Menschen, die auf dem Affen herumklettern, Fotos machen und mal mehr, mal weniger peinlich berührt seine goldenen Eier anfassen.

Peer Oliver Nau, Ziegen-Punk, 2018,
Fichtenholz, 94 x 134 cm
 
 

Nach dieser schamlosen Begrüßung machen wir uns auf den Weg zur Kasse und dann schnurstracks Richtung Streichelzoo, in der Hoffnung dort nicht ganz so aufdringlichen Wesen zu begegnen. Und siehe da! Gleich am Eingang springt uns eine fröhliche Ziege entgegen. Doch statt sich, wie es sich für eine Ziege im Streichelzoo gehört, von uns hätscheln und tätscheln zu lassen streckt uns das freche Ding doch tatsächlich die Zunge raus! Als ob das nicht genug wäre entdecken wir, dass das Tier sich als Frisur wohl ein Utensil der Pfleger geklaut haben muss. Unerhört!

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Peer Oliver Nau, Zebras


Unsere nächste Station: das Zebragehege. Die gestreiften Gefährten räkeln sich entspannt in der Junisonne. Diesmal ist es Ninas Aufgabe lautstark und mit einem Hauch krimineller Dramatik aus dem Zooführer vorzutragen:

„Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit Pferden, die sich thematisch durch die Geschichte der Bildhauerei ziehen, entdeckte Peer Oliver Nau  über eine Ausschreibung für ein öffentliches Kunstwerk für ein Gefängnis und dessen Insass*innen die ebenfalls gestreiften Artgenossen für sich: Zebras. Seine Tiere haben oft menschliche Züge, sind...“

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Peer Oliver Nau , Keiler  

Da rast, völlig aus dem Nichts, ein Wildschwein zwischen uns hindurch, schrammt gegen Martinas Beine, grunzt gruselig und zischt mit einer riesigen Wolke aus Staub hinter sich wieder ab. Völlig verdutzt muss Nina den Zooplan erstmal wegstecken. So aufregend haben wir uns diesen virtuellen Tiergartenbesuch nicht vorgestellt. Zum Glück verspricht der nächste Programmpunkt etwas mehr Entspannung.

Während Nina und Martina sich Kreiden schnappen, um sich der meditativen Bemalung des nächsten Tieres hinzugeben, lese ich, der ruhigen Stimmung wegen, etwas monoton und meditativ aus dem Zooführer vor, was Bernhard Keller, der Künstler über sein Allesfliesstier schreibt:
„Im Sommer 2016 bewarb ich mich auf die Ausschreibung für das kuratierte Projekt Stierparade in Zug (Schweiz). Dabei ging es darum, einen vorgegebenen Glasfaser-Stier auf eine eigene Art und Weise zu gestalten. Meine Idee war es, den Stier mit Wandtafelfarbe zu lackieren, damit viele Menschen den Stier immer wieder aufs Neue mit Straßenmalkreiden bemalen können. Mein Vorschlag wurde angenommen und ich konnte mein Vorhaben in die Tat umsetzen. Eine erste temporäre Bemalung erhielt mein Allesfliesstier bei Regenwetter im August 2017 vor dem Museum Burg in Zug. Darauf folgten mehrere Bemalungen in verschiedenen Schweizer Städten und die Stierfamilie bekam Zuwachs – zwei Jungtiere kamen hinzu.“

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Bernhard Keller, Allesfliesstier, 2017, Mixed Media, Kunstharz, Fiberglas, 150 cm x 60 cm x 220 cm


Noch total vertieft in Kreise aus Kreide schreckt Martina plötzlich hoch. Das Wildschwein steht wieder neben ihr, tippt ihr hastig auf die Schulter und rennt fix den Weg entlang – wir folgen ihm bis zu einer Wiese, auf dem es neben einem Hasen stehen bleibt.

Sophie Marsham, Hase, Schneiderpuppe,
Schuhleisten, H.ca. 1,5 m
 

Wir neigen alle drei etwas ungläubig die Köpfe zur Seite, um diese besondere Version von Meister Lampe genauer unter die Lupe zu nehmen. Sophie Marshams Hase besitzt eine unleugbare Ähnlichkeit mit seinem Verwandten aus Alice im Wunderland. Doch im Gegensatz zu seinem haarigen Vorbild hat er Schuhleisten als Ohren und einen Schneiderpuppenkörper. Verdutzt betrachten wir noch eine Weile den nun nicht mehr rennenden Keiler neben seinem neu gefundenen Freund.

Gemächlich lassen wir die beiden hinter uns und machen uns auf den Weg zur letzten Station des Tierparks: dem Affenhaus. Nicht ganz so freizügig wie sein Kollege am Eingang begrüßt uns hier Jörg Engelhardts Kong und jede von uns liest still im Tiergartenführer:
„Während seines Gaststudiums in Berlin-Weißensee verbrachte Engelhardt fast jeden Tag im Zoo, um dort zu zeichnen. Vor allem von den Affen war er immer wieder fasziniert, tauchte später auch theoretisch in die Welt der Zoologie ein und bekam von seinen Freunden sogar den Kosenamen Affe. 2016 entstand dann der erste dreidimensionale Affe. Kong, der sechste in dieser Reihe, ist der Liebling des Künstlers ist unverkäuflich und wird liebevoll gehegt und gepflegt. Bis heute sind Affen Thema in seiner Kunst – faszinierende Wesen die nahezu baugleich neben dem Menschen stehen und trotzdem auf vielen Ebenen die besseren Menschen sind.“

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Jörg Engelhardt, Kong


Mit philosophischen Gedanken zu Menschen und Affen zoomen wir uns wieder in die Realität.

Wow. Was für ein Wiedereinstieg ins Büroleben. Max, der mit reichlich Verspätung der Bahn just in diesem Augenblick aus Salzburg ins Büro schneit, greift sich den Zooführer, der neben uns auf dem Schreibtisch liegt und beginnt den Text über den theoretischen Hintergrund und die Beziehung zwischen Mensch und Tier vorzulesen, von Zebraprint auf T-Shirts, über Ziegenkäse im Kühlschrank bis zu Franz Marcs roten Rehen und den Hasen von Dürer und Alice.
Als er kurz fragend hochblickt müssen Martina, Nina und ich uns ein Lachen verkneifen. Von Ziegen und Hasen haben wir erstmal genug – trotzdem feiern wir innerlich die Tatsache, dass wir bald wieder in die echten Tiergärten dürfen und die Zeit der unzähligen Zoom-Meetings den Zoo-Meetings weichen kann.

Konzept und Umsetzung: Martina Fischer, Nina Gramüller, Max Güntert und Elisabeth Pilhofer

 

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