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Skulptur im Kleinformat

Die Triennale in Fellbach widmet sich mit voller Leidenschaft der Kleinplastik. Bis 29. September 2019 findet sie zum 14. Mal statt. Was die BesucherInnen erwartet, erfahren Sie hier.

Kleinheit ist ein ganz besonderes Maß. Es impliziert Transportabilität, Nähe zum menschlichen Körper, das Handgemachte oder zumindest maßstäblich Greifbare und eine gewisse Modellhaftigkeit. Ob Talismane, Totems, Fetische, Spielzeuge, Horkruxe oder Attribute - Kleinplastiken wurden und werden sehr häufig nahe am Menschen benutzt oder im Wohnumfeld aufgestellt. So entsteht eine für Kunstwerke heute ungewöhnliche Nähe zwischen Objekt und BesitzerIn bzw. BetrachterIn, die sich auf ihren Bedeutungsgehalt unmittelbar auswirkt.

Der Kleinplastik verpflichtet

Aus der Nähe von Fellbach stammen die ältesten bekannten Kunstwerke der Menschheit: die vor rund 40.000 Jahren entstandenen, kleinen, eiszeitlichen Skulpturen der Schwäbischen Alb . Sie gaben 1980 den entscheidenden Anlass in Fellbach eine Ausstellung zur Kleinplastik zu initiieren. Diese findet seither im 3-Jahres-Turnus statt. Lagen die thematischen Schwerpunkte früher noch auf geografischen und geopolitischen Aspekten, wandte sich im Jahr 2001 das Blatt, bedingt durch die zunehmende Globalisierung, hin zu ästhetischen, kunsthistorischen und soziologischen Fragen. Die Erfolgsgeschichte der Triennale  wird jeher von deren künstlerischen LeiterInnen geschrieben: die stets wechselnden, angesehenen KuratorInnen besitzen hinsichtlich Konzept und KünstlerInnenauswahl viel Spielraum. Einzig der Überbegriff Kleinplastik ist für sie verpflichtend. Damit wird eine hohe Innovationskraft und Einzigartigkeit jeder einzelnen Triennale gewährleistet. Die Ausstellung ist zudem kompromisslos dem aktuellen Kunstdiskurs verpflichtet.

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KAYA, KAYA MOO-NAY Triennale Fellbach © Peter D. Hartung 2019.


Die 14. Triennale Kleinplastik

Die diesjährige Triennale findet vom 1. Juni 2019 bis 29. September 2019 statt und wurde von Dr. Brigitte Franzen kuratiert. Angeregt durch die sensationellen Funde der rund 40 000 Jahre alten Figürchen in den Höhlen der nahen Schwäbischen Alb plädiert Franzen in ihrem Konzept für eine vielstimmige, modellhafte und anthropologische Sicht auch auf die gegenwärtige Kunst. Exemplarisch werden deshalb in die Ausstellung historische Objekte, teils als hochwertige Repliken, integriert. „40.000 – Ein Museum der Neugier“ lautet der Titel der 14. Triennale Kleinplastik. Das kleine skulpturale Format ist besonders geeignet Aspekte künstlerischen Antriebs, Mimesis, Welterklärung, Experiment und Innovation zu veranschaulichen. Werke von über 50 internationalen Künstlerinnen und Künstlern sind vetreten, die den erkenntnisorientierten, forschenden Impuls bildnerischer Verfahren verdeutlichen. Kunstschaffende sind Experten für ein anthropologisches Movens, für das Erstellen eines Werkes im Zusammenspiel von Gedächtnis und Hand. Dieser Sachverhalt soll exemplarisch thematisiert werden und hat im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Automatisation und Digitalisierung eine besondere Relevanz. Eine uneinheitliche, sich gegenseitig inspirierende Geschichte von Objekten der freien Kunst, von Kult- und Nutzobjekten ist Basis des Konzepts. Trotz einer globalisierten Welt existieren in verschiedenen Kulturkreisen kulturelle und ästhetische Unterschiede. Der Rückblick auf die Kunstproduktion früherer Zeiten zeigt, wie Neugier und die Notwendigkeit, die umgebende Welt zu deuten oder ihr mit modellhaften Gegenentwürfen zu begegnen, eine anthropologische Konstante künstlerischer Arbeit ist. Kunst ereignet sich in Auseinandersetzung mit der Natur, mit der umgebenden wie der des menschlichen Körpers, sei es in Form von Überschreitung naturgegebener Grenzen oder als Versuch der Versöhnung mit der Natur.

Eine Ausstellung die im Gedächtnis bleibt

Ausstellungsort ist die 1906 erbaute Alte Kelter. War sie seinerzeit die größte Produktionsstätte in Württemberg, so blieb sie doch lange Zeit ungenutzt. Erst im September 2000 wurde sie als multifunktionales Haus der Kultur wiedereröffnet. Mit rund 2500 Quadratmetern Ausstellungsfläche verfügt die Alte Kelter über einen der größten Ausstellungsräume in Süddeutschland. Das Gebäude verbindet die Funktionalität und Nüchternheit einer zweckorientierten Industriearchitektur mit der handwerklichen Technik des Holzfachwerkbaus. Besonders imposant ist der gewaltige, offen sichtbare Dachstuhl, der die gesamte Fläche von 3000 Quadratmetern überdeckt. Als „Museum der Neugier“ ermöglicht die mächtige Alte Kelter in Fellbach ein besonderes Kunsterleben und bettet die Triennale in den Gesamtkontext der Remstal Gartenschau, die zeitgleich in 16 Kommunen entlang der Rems stattfinden wird, ein. Ein vielfältiges Rahmenprogramm mit rund 250 Führungen für Erwachsene, Studierende, Kinder und Schulklassen, mit Workshops, Vorträgen, Lesungen, Podiumsgesprächen, Konzerten und partizipativen Angeboten wird die Ausstellung permanent beleben.

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Blick in die Ausstellungshalle, Triennale Fellbach © Peter D. Hartung 2019.


40.000. Ein Museum der Neugier
Alte Kelter Fellbach
Untertürkheimer Straße 33
70734 Fellbach

DI - FR 14 bis 19 Uhr
DO 14 bis 21 Uhr
SA - SO 11 bis 19 Uhr

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Autorin: Claudia Thiel

Claudia Thiel ist Kunsthistorikerin und stellt ihre Fragen an das Fachgebiet gerne im journalistischen Stil.

 

Coverbild: Grayson Perry, Wise Allan, 2019, Triennale Fellbach © Peter D. Hartung 2019.

Galerie

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