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NordArt – der spröde Charme des Nordens trifft auf Weltoffenheit

NordArt 2019 im Kunstwerk Carlshütte: Vom 1. Juni bis 13. Oktober 2019 lädt die Ausstellung im hohen Norden dieses Jahr dazu ein, Frankreich einmal genauer zu betrachten. Jenseits davon trifft man unter den Ausstellenden auch auf 5 sculpture network-Mitglieder.

Was wäre eine Welt ohne Bilder, ohne Musik, ohne Film, orientiert allein am Nutzbringenden? NordArt gibt darauf eine ganz konkrete Antwort: „Wir würden uns einer wesentlichen Wurzel unseres Lebens berauben. Denn nirgendwo sonst sind Phantasie und Kreativität so zu Hause wie in der Kunst, nirgendwo sonst gelingt es uns besser, die Alltagsperspektive zu verlassen und uns auf uns selbst zu besinnen.“ Die seit 1999 in der ehemaligen Eisengießerei, dem Kunstwerk Carlshütte, stattfindende NordArt  gehört zu den größten jährlichen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa. Dabei wird sie als Gesamtkunstwerk  von Chefkurator Wolfgang Gramm  jedes Jahr neu konzipiert. Mit mehr als 200 ausgewählten KünstlerInnen aus aller Welt, die ihre Bilder, Fotografien, Videos, Skulpturen und Installationen zeigen, bietet sie ein umfassendes Panorama. Seit 2011 ist auch die Orchesterakademie des Schleswig-Holstein Musik Festivals  (SHMF) im Kunstwerk Carlshütte zuhause. NordArt und Festival sind aber nicht nur gute Nachbarn, die beide das weltweite Netzwerk von Künstlern pflegen, sie treiben auch das Crossover von Bildender Kunst und Musik voran. Seit 2015 finden die Konzerte auch mitten in der NordArt statt. Und auch die Poesie gilt im Programmablauf als feste Größe. Für Abwechslung  ist damit allemal gesorgt.

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DENG Guoyuan (China) "Noah's Garden II" (detail)


„Manchmal reichen eine Farbe und ein bestimmter Pinselstrich, und es öffnen sich Welten.“

Diese plötzlichen Momente des Erkennens und Begreifens anderer Perspektiven wünscht sich NortArt auch für ihre 21. Auflage. Der vertiefte Blick gilt in diesem Jahr Frankreich. In Zusammenarbeit mit Kurator Jérôme Cotinet-Aphaize widmet sich der Länderpavillon unter dem Titel „Some of Us“ französischen Künstlerinnen, die zwischen Ende der 60er und Anfang der 90er Jahre geboren wurden und in den vergangenen Jahren in unserem Nachbarland und darüber hinaus von sich reden gemacht haben. Die Ausstellung will die Entwicklung über eine Frauengeneration hinweg untersuchen, die Gemeinsamkeiten ausleuchten und prüfen, was daran eine typisch französische oder vielleicht typisch westliche Perspektive ist. Die Schirmherrschaft für den Länderpavillon hat die Botschafterin der Französischen Republik, I.E. Anne-Marie Descôtes, übernommen. Die ACO Wagenremise nimmt die Norddeutschen Realisten in den Fokus und setzt damit einen wichtigen regionalen Schwerpunkt. Im Herbst 1989, als die politische Landschaft Europas in Bewegung geriet, begann auf Initiative von Nikolaus Störtenbecker ein Kreis von Künstlerinnen und Künstlern, das Malen und Zeichnen direkt vor dem Objekt neu für sich zu erkunden, und setzte damit ein ganz eigenes Signal. Auch dieses Jahr wartet die NordArt wieder mit neuen Highlights aus China auf. Nach den spektakulären Menschenaffen von Liu Ruowang und den Phoenixen von Xu Bing dürfen die Besucher auf Noah’s Garden von Deng Guoyuan und Babylonian von Xi Jianjun gespannt sein. Mongolische zeitgenössische Künstler, denen die NordArt schon 2015 und 2016 eine große Bühne gab, werden erneut eine Auswahl ihrer Arbeiten zeigen, die sich aus animistischer Felsenkunst, buddhistischer Ikonografie, traditioneller Malerei, sozialistischem Realismus und westlich geprägter Abstraktion speisen und zu einem neuen, ganz eigenen Stil zusammenwachsen.

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David Černý (Czech Republic) "QUO VADIS" 1990


sculpture network auch in diesem Jahr wieder präsent

Zu den ausstellenden KünstlerInnen zählen in diesem Jahr wieder 5 sculpture network-Mitglieder.
Dorsten Diekmann  (geb. 1960/DE): Ein Hauptthema seiner Arbeit ist Bewegung. Der Stein wird so bearbeitet, dass die Statik und die Schwere des Materials scheinbar aufgehoben werden. Durch die polierten Oberflächen wird eine Verbindung zur Umgebung hergestellt. Sich verändernde Licht- und Witterungsverhältnisse werden reflektiert. Durch die Skulptur wird ein unmittelbarer Kontakt zu elementaren Dingen möglich, vielleicht auch eine Rückbesinnung auf den eigenen Ursprung.

Rainer Fest  (geb. 1953/DE): Im Spannungsfeld zeitgenössischer Kunstäußerungen markieren seine Skulpturen eine sehr eigene Position, gewonnen mehr aus persönlicher Lebenserfahrung als aus Anlehnung an Kunstgeschichte oder gar einer Orientierung am Markt. Der zentrale Begriff, um den Rainer Fests Kunst kreist, ist Verbindung. Dieses Thema zieht sich durch sein gesamtes Oeuvre. Er arbeitet mit dem Nichtvereinbaren und sucht nach den Räumen zwischen den Gegensätzen.

Peter Lundberg  (geb. 1961/USA): Seine großen, organisch anmutende Betonarbeiten werden in der Erde gegossen. Sie gleichen daher dem Unterbewusstsein - als komplexe Strukturen  und jenseits einer Beurteilung zwischen schön und hässlich, gut oder schlecht. Sie entwachsen der Erde, strecken sich in den Himmel und verkörpern reine Emotion.

Jörg Plickat  (geb. 1954/DE): Plickat zählt zu den international anerkanntesten deutschen Bildhauern. Seine zunächst figurativ geprägte Kunst wandelt sich nach 1985 in eine abstrakt-kubisch geprägte Formensprache, hinter der vielfach die menschliche Figur erkennbar ist. Seit 2000 bestimmt Cortenstahl – zum Teil auch Bronze – die Materialität seiner Plastiken.

NordArt 2019: Jörg Plickat (Germany) "Move – Wheel of Time",
Jörg Plickat (Germany) "MOVE" und "Los cuatro vientos",
Corten steel, H: 480 cm , marble


Urs-P. Twellmann  (geb. 1959/CHE): Hölzer in allen Erscheinungsformen bilden die Ausgangslage für die Objekte, Installationen und Interventionen von Urs Twellmann. Die Auseinandersetzung mit dem Material, das Erforschen seiner Eigenschaften und Möglichkeiten sowie das Spannungsfeld zwischen Chaos und Ordnung stehen im Zentrum des kreativen Prozesses, in dem der Künstler die Hölzer bricht, spaltet, zersägt und analysiert, um sie schließlich in neue Anordnungen und Zusammenhänge zu bringen.
 

Eine ehemalige Eisengießerei als Ausstellungsort

Das am Nord-Ostsee-Kanal,  direkt nördlich von Rendsburg,  gelegene Eisenproduktionswerk „Carlshütte“ in Büdelsdorf wurde im Jahr 1827 gegründet und war damals der erste Industriebetrieb auf der jütischen Halbinsel. Johannes Ahlmann, der die Produkte der „Carlshütte“ seit 1840 in Skandinavien vertrieb, übernimmt 1883 die kaufmännische Leitung. Lange Zeit dominierte die Eisengießerei das wirtschaftliche Geschehen des Ortes. Im Jahr 1946 gründet Josef-Severin Ahlmann (1924-2006) auf dem Gelände der „Carlshütte“ sein Unternehmen ACO, das Bauelemente und Fenstern aus Beton, sowie die ersten Entwässerungsrinnen in den 60er Jahren fertigte. In den 70er Jahren wächst das Unternehmen ACO mit der innovativen Polymerbeton-Linienentwässerung auch international weiter heran. Seit den 80er Jahren wurde der Familienbetrieb durch Hans-Julius Ahlmann geleitet, der seitdem Wachstum, Diversifizierung und Internationalisierung vorantrieb. 1997 wurde die ehemalige Eisengießerei stillgelegt und dient seit 1999 als Ausstellungsort, der nicht nur ein beeindruckendes Industriedenkmal darstellt, sondern mit seinen gewaltigen Hallenschiffen, der restaurierten ACO Wagenremise und dem großzügigen Parkgelände ein ungewöhnliches Ambiente für Kulturveranstaltungen aller Art bietet. Kunst in der Carlshütte gGmbH  ist heute eine Non-Profit-Kulturinitiative der international tätigen ACO Unternehmensgruppe und der Städte Büdelsdorf und Rendsburg.

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Jan Dostál (Czech Republic) "Rounded", steel, 600 x 600 x 140 cm

 

NordArt 2019
1. Juni bis 13. Oktober 2019
DI – SO: 11.00 bis 19.00 Uhr
Vorwerksallee
24782 Büdelsdorf
www.nordart.de

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Autorin: Claudia Thiel

Claudia Thiel ist Kunsthistorikerin und stellt ihre Fragen an das Fachgebiet gerne im journalistischen Stil.

 

 

Coverbild: XI Jianjun (China) "Babylonian", wood, H: 750 cm. ZHANG Dali (China) "AK-47", acrylic on canvas

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