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Nur eine Frau? - Die Frau und die Kunst

Welche Rolle spielte die Frau in der Kunst? Welche Rolle spielt sie heute? Oder nimmt sie bereits aktiv Raum ein? Einige Gedanken und Fakten zu „Die Frau und die Kunst“.

Die Rolle der Frau in der Kunst hat in der Vergangenheit und in heutiger Zeit eine vielgestaltige Ausprägung. Die Geschichte der Kunst war zuerst einmal eine Geschichte der (weißen) Männer. Dies bedeutet, dass Frauen entweder gar nicht am Kunstgeschehen aktiv beteiligt waren oder nur in untergeordneten Bereichen. So waren Frauen als Musen und als Aktmodelle in den künstlerischen Ateliers vertreten, sie wurden als Handlangerinnen gebraucht und dienten als Inspirationsquelle.
 
Loy/Ley (?), Malende Frauen, o.J., Privatbesitz Fotografie: Wolfgang Pulfer
Loy/Ley (?), Malende Frauen, o.J., Privatbesitz
Fotografie: Wolfgang Pulfer
Die erste weibliche Studentin an der Akademie für Bildende Kunst in München gab es bereits ab 1813. Bis 1839 folgten 47 Studentinnen nach; im Zeitraum von 1839 bis 1919 gab es wiederum nur eine einzige Studentin. In privaten Malschulen konnten sich zu dieser Zeit auch Frauen der Kunst widmen, allerdings waren diese sehr teuer im Gegensatz zu der kostenfreien Akademieausbildung. In München entstand durch die Umbrüche in der Gesellschaft eine Frauenbewegung, die neben der Studienberechtigung auch das Wahlrecht einforderte. Allerdings konnten erst ab 1920 Frauen generell ein eigenständiges künstlerisches Studium an den Hochschulen und den Akademien beginnen und wurden erst ab diesem Zeitpunkt zu einem künstlerischen Studium zugelassen.1
 
Bis auf wenige Ausnahmen waren Frauen in den Akademien und Ateliers nur in gestalterischen Bereichen geduldet. Dies betraf Art Deco und die Zweige des Kunsthandwerks.
Das führt zu der Frage, ob und welche Materialien als weiblich angesehen werden. Und weiters, wie dadurch das Material und die daraus erstellten Kunstwerke gesehen werden. Es ist festzuhalten, dass früher besonders weiche Materialien als weiblich angesehen wurden. Dies lag zum Einen darin begründet, dass diese leichter oder einfacher zu bearbeiten waren und zum Anderen, dass diese sich nicht der „Bearbeitung widersetzen“2. Der letzte Punkt war häufig in der NS-Zeit in Gebrauch und legte die Frauen wiederum auf Materialien fest, die wie beispielsweise der Ton ein sehr vielseitig einsetzbares Medium waren. In den Augen der Vertreter der Materialgerechtigkeit, die nach dem „Widerstand im Material“3 suchten, wurde dies als „Mangel“4 gesehen und der Ton wurde als „charakterlos“5 abgelehnt. Vielen dieser hochplastischen Materialien, wie auch dem Wachs, ist eigen, dass sie auch als „Hilfsstoffe“6 in der Werkproduktion genutzt wurden und als das bevorzugte Material für Vorstudien galten, von der zugeschriebenen fehlenden „Dauerhaftigkeit“7 ganz zu schweigen.8
 
Desweiteren haben Textilien ebenso eine weiblich tradierte Geschichte aufzuweisen, wurde und wird doch das Handarbeiten als traditionell weibliche Tätigkeit gesehen. Allerdings haben nicht alle Techniken die im textilen künstlerischen Bereich angewandt werden eine geschlechtsspezifische Zuordnung. So wird in der Kunst die sich thematisch mit dem Feminismus auseinandersetzt, oft auch mit textilen Stoffen gearbeitet, wie z. B. von Rosemarie Trockel.9 Der Status, den diese als weiblich konnotierten Materialien im Kunstbetrieb aufweisen, ist auch heute noch niedrig bewertet. In besonderem Maße dann, wenn der Werkstoff in der Geschichte auch als Material zu Vorstudien diente. So ist beispielsweise das Material Keramik (ausgenommen das Porzellan) auch im heutigen Betriebssystem Kunst den tradierten Vorstellungen von Seiten der Ausstellungsmacher unterworfen und von negativen Wertzuschreibungen betroffen.
Dies zeigt, dass Materialien und die daraus hergestellten Kunstwerke sich immer noch in den traditionellen Wertekatalog der Materialien eingeordnet werden und sich ein (weiblicher) Materialstatus auch auf den Wert eines Werkes auswirkt.10
 
 
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Lily Koebner-Linke, Das Malweib, 1913, Privatbesitz, Fotografie: Wolfgang Pulfer
Betrachtet man die heutige Situation der Frau im Kunstbetrieb, kann von einer, wenn auch kleinen Verbesserung der Umstände gesprochen werden. Frauen können heute jede Fachrichtung studieren, sich einen Beruf aussuchen und diesen ausüben. Die Situation nach dem künstlerischen Studium ist trotzdem bislang noch eine andere. Mittlerweile ist in vielen Fächern der Anteil zwischen männlichen und weiblichen Studierenden ungefähr ausgeglichen, bzw. überwiegt der Frauenanteil, so z. B. bei der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz, Österreich, die in den Jahren von 2006 bis 2019 mehr weiblichen Studierenden die Aufnahme gewährte und weiters in den Jahren von 2006 bis 2019 ebenso eine höhere Anzahl weiblicher als männlicher Studierender hatte.11 Dies mag zum Teil auch damit begründet sein, dass diese Uni einen Bereich zur Gender Diversity hat. Eine weitere Künstlerin die sich aktiv für feministische Aspekte einsetzte ist Valie Export.
 
An der Akademie der Bildenden Künste in München jährt es sich dieses Jahr zum 100. mal, dass Frauen aufgenommen und dort ein Studium beginnen konnten. Dies wurde zum Anlass genommen, im Museum in Fürstenfeldbruck eine Ausstellung mit dem Titel „Frau darf... 100 Jahre Künstlerinnen an der Akademie“ zu gestalten. Angesprochen werden Punkte wie das Ringen um die Zulassung und die Studienbedingungen der jungen Frauen, mit welchen Themen sie sich in ihrer künstlerischen Arbeit beschäftigten und die Wandlung des Selbstverständnisses der Frau in der Kunst. Die Ausstellung beginnt am 20. November 2020 und endet am 25. April 2021. Dazu wird es hier an dieser Stelle und zu gegebener Zeit ein Update und eine Besprechung dieser Ausstellung zu diesem interessanten Thema geben.12
 
Der heutigen Realität, Frauen und Männern ein (künstlerisches) Studium gleichermaßen zu ermöglichen, steht immer noch eine Überzahl an Männern in wichtigen und entscheidenden Positionen im Kunstbetrieb gegenüber. So sind vorwiegend Männer an der Spitze von bedeutenden Museen, als Kuratoren im Entscheidungsprozess dieser, als Sponsoren, als Händler oder Mäzene zu finden und mit ihnen ein von Männlichkeit geprägtes Sehen und Denken. So ist es auch nicht verwunderlich, dass bei Übersichtsaufstellungen über bedeutende KünstlerInnen, BildhauerInnen, usw. vorwiegend Männer genannt werden, oft nur wenige Frauen aufscheinen oder diese ganz unerwähnt bleiben. Dieser Umstand kann auch dazu führen, dass Frauen wenig Vorbilder des eigenen Geschlechts finden, und trotz Begabung eine möglicherweise erfolgversprechende Karriere nicht einschlagen oder abbrechen, sodass Männer bei der Berufsausübung als erfolgreiche bekannte Künstler bislang wiederum in der Mehrzahl sind.13 Generell ist dem noch hinzuzufügen, dass Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, in der Gesellschaft weniger angesehen sind und in der Regel auch schlechter bezahlt sind.
 
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass im Betriebssystem Kunst der Frauenanteil sich weiter erhöht, wenn auch noch Verbesserungen zur Unterstützung und Förderung für weibliche Kunstschaffende leider immer noch nötig sind.
 
Abschließen möchte ich mit einem Gedicht von Mascha Kaléko das die Situation aus Sicht einer Dichterin, die mit einem ebenfalls künstlerisch tätigen Mann verheiratet ist, treffend beschreibt.
 
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Die Künstlerin Selma Des Coudres mit Pfeife, um 1910, Privatbesitz, Fotografie: Wolfgang Pulfer
„Die Leistung der Frau in der Kultur“14
Auf eine Rundfrage
Zu deutsch: „Die klägliche Leistung der Frau“.
 
Meine Herren, wir sind im Bilde.
Nun, Wagner hatte seine Cosima
Und Heine seine Mathilde.
Die Herren vom Fach haben allemal
Einen vorwiegend weiblichen Schatz.
Was uns Frauen fehlt, ist „Des Künstlers Frau“
Oder gleichwertiger Ersatz.
 
Mag sie auch keine Venus sein
Mit lieblichem Rosenmund,
So tippt sie die Manuskripte doch fein
Und kocht im Hintergrund.
Und gleicht sie auch nicht Rautendelein
Im wallenden Lockenhaar,
So macht sie doch täglich die Zimmer rein
Und kassiert das Honorar.
 
Wenn William Shakespeare fleißig schrieb
An seinen Königsdramen,
Ward er fast niemals heimgesucht
Vom „Bund Belesner Damen“.
Wenn Siegfried seine Lanze zog,
Don Carlos seinen Degen,
Erging nur selten an ihn der Ruf,
den Säugling trockenzulegen.
 
Petrarcas Seele, weltentrückt,
Ging ans Sonette-Stutzen
Ganz unbeschwert von Pflichten, wie
Etwa Gemüseputzen.
Doch schlug es Mittag, kam auch er,
Um seinen Kohl zu essen,
Beziehungsweise das Äquivalent
In römischen Delikatessen.
 
Gerne schriebe ich weiter
In dieser Manier,
Doch muß ich, wie stets,
Unterbrechen.
Mich ruft mein Gemahl.
Er wünscht, mit mir
Sein nächstes Konzert
Zu besprechen.
 
 
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Autorin: Dr. Eva Daxl

Eva Daxl absolvierte ein Kunststudium mit plastischem Schwerpunkt. In ihrer PhD-Arbeit schrieb sie über das Thema keramische Materialien in der Kunstkritik. Sie ist daher mit dreidimensionalen Kunstwerken in Theorie und Praxis vertraut.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[1] Museum Fürstenfeldbruck (aufgrund der Bestimmungen im Moment geschlossen)
[2] Wagner, Monika; Rübel, Dietmar; Hackenschmidt, Sebastian: Lexikon des künstlerischen Materials. Werkstoffe der modernen Kunst von Abfall bis Zinn. C. H. Beck, München, 2002, S. 224 - 231. 
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Ebd.
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9] Ebd. 217-224
[10] Daxl, Eva (2017) Die Rezeption von Keramik im Kontext zeitgenössischer Kunstkritik, Dissertation, Linz, Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung
[11] Studierendenstatistik Kunstuniversität Linz (Weitere Jahre sind selbst auszuwählen)
[12] siehe Fn. 1
[13] Olivier, Antje (2001) Von der passiven Muse zur aktiven Künstlerin. Der homo-erotische Blick von Frauen und seine lange Verdrängungsgeschichte
[14] Zoch-Westphal, Gisela. Mascha Kaléko. Mein Lied geht weiter. Hundert Gedichte. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG. München. 11. Auflage. 2011. S.131 und 132.

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