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Spot #2 Kunst ohne Betrachter?

Unser Vorstandsmitglied Yke Prins arbeitete gerade an ihrem Bildungsprogramm für die Ausstellung "Germaine Richier, Beauty turned Beast" im Museem Beelden aan Zee in Den Haag, als sie erfuhr, dass die Eröffnung ausfällt. In ihrer Quarantäne denkt sie über eine Ausstellung ohne Besucher nach.

In Beelden aan Zee, dem Skulpturenmuseum in Den Haag, haben die Skulpturen ihren Platz eingenommen. Morgen wird die Ausstellung Germaine Richier, Beauty turned Beast feierlich eröffnet. Ich bin in der Museumshalle, um mein pädagogisches Programm vorzubereiten, und ich genieße Richiers beeindruckendes Werk und die besondere Aura ihrer Skulpturen. Zwei ominöse Gestalten, Storm Man und Hurricane Woman, sehen aus, als kämen sie geradewegs aus einem Sumpf, um uns zu erschrecken oder gar zu warnen! Sie scheinen halb Mensch und halb Pflanze zu sein, Blätter und Äste sind mit ihren Körpern verwachsen. Während ich diese seltsame Szene auf mich wirken lasse, klingelt mein Telefon. Ich erfahre, dass es keine Öffnung geben wird. Ich kann nach Hause gehen, das Museum wird geschlossen!

Nun bin ich zu Hause und erinnere mich daran, wie die besondere Ausdruckskraft der Arbeit von Germaine Richier den Museumssaal erfüllt hat. Ich denke über eine Kunst ohne Betrachter nach: Sie ist da, aber sie hat kein Gegenüber, um zu kommunizieren. Sie ist nur eine vage Erinnerung, ein Bild aus der Vergangenheit, wie eine Beschreibung in einem Buch.

Ich bin zu Hause in Quarantäne und träume von der Museumshalle mit dem Werk Germaine Richiers. Sonnenlicht erfüllt den Saal, und während das Museum auf unbestimmte Zeit geschlossen ist, stelle ich mir vor, wie die Skulpturen ihr eigenes Leben haben. Storm Man und Hurricane Woman laufen frei durch die Halle, taumeln gegen die Wand und ziehen ihre Kreise mit ihren astartigen Fingern und einer makabren und unaufhaltsamen Energie. Seltsame Figuren springen von den grün gestrichenen Sockeln und wandern durch den Raum. Einige von ihnen haben Gesichter und geben undefinierbare Laute von sich, von anderen, gesichtslosen, Figuren hört man ein Rascheln wie von Bäumen. Schlammspuren markieren die Wege von Storm Man und Hurricane Woman. Diese bizarre Traumszene fügt sich nahtlos in die Unruhe ein, die seit der Abriegelung in der ganzen Stadt zu spüren ist. Der "Hurrikan" wütet auf der ganzen Welt, wie ein Virus, der unseren Seelenfrieden durcheinander bringt und unser Leben gefährdet. Der "Sturm" bläst unsere selbstgerechte Lebensweise weg. Wenn das Museum wieder seine Türen öffnet, um das Werk von Germaine Richier zu präsentieren, werden wir andere Menschen sein, andere Zuschauer, wir werden das Thema ihrer Arbeit aus einer anderen Perspektive verstehen.

 

Germaine Richier, Beauty turned Beast | Museum Beelden aan Zee in Den Haag | 13. März bis 7. Juni 2020

 

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Autorin: Yke Pris, Vorstandsmitglied von sculpture network
Foto aus der Quarantäne

 

 

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