8. Skulpturen-Triennale Bad RagARTz: Der größte Skulpturenpark Europas
Noch bis zum 31.Oktober findet die 8. Schweizer Skulpturen-Triennale statt. Darunter befinden sich Werke von fünf sculpture network-Mitgliedern.
Der Schweizer Ort Bad Ragaz ist ein international bekannter Kurort und auch die fiktive Heimat von Heidi, der Heldin aus dem Kinderbuch von Johanna Spyri. Der idyllische Ort zieht seit dem 18. Jahrhundert den europäischen Adel und andere berühmte Gäste und Gästinnen an, darunter Victor Hugo und Thomas Mann. Dank der Skulpturen-Triennale Bad RagARTz strömen seit 2003 auch Kunstliebhaber*innen in den Ort. Die Ausstellung gibt dem Kurort für sechs Monate ein neues Gesicht und verwandelt ihn in Europas größten Skulpturenpark.
Von Mai bis Oktober sind 83 Künstler*innen aus 16 verschiedenen Ländern Teil einer einzigartigen Begegnung inmitten der Natur. Rund 400 Skulpturen werden im öffentlichen Raum platziert: eine Mischung aus Neuentdeckungen, etablierten Künstler*innen und großen Namen, unter denen sich erfreulicherweise fünf sculpture network-Mitglieder befinden. Die Ausstellung geht auf eine private Initiative zurück: Im Jahr 2000 gründete Rolf Hohmeister, Facharzt für Rheumatologie, Orthopädie und Schmerzmedizin am Medizinischen Zentrum in Bad Ragaz und leidenschaftlicher Kunstsammler, zusammen mit seiner Frau Esther die Skulpturen-Triennale Bad RagARTz.
Das alle drei Jahre stattfindende Skulpturenfestival soll in einer Zeit, in der links und rechts Werte vernichtet werden, direkt im Wohngebiet einen sozialen Mehrwert schaffen. Kunst dringt als verlässliche Abwechslung in den Bad Ragazer Alltag ein. Die Kunst ist kostenlos und wird den Betrachtenden sozusagen auf dem Silbertablett und ungefiltert präsentiert; die derzeit vorherrschenden finanziellen Fragen treten in den Hintergrund.
Tauchen wir ein in die Ausstellung und die Exponate unsere Mitglieder:
René Düsel
Der Schweizer Künstler René Düsel will mit seinen Kunstwerken Himmel und Erde verbinden. Für seine Arbeiten wählt er die Hölzer sorgfältig aus, denn jede Holzart hat eine eigene Struktur, eine andere Textur, auf die er eingeht und mit denen er spielt. Für seine Objekte sucht er die ideale Form, die reine Einfachheit und rhythmische Struktur in den natürlichen Materialien. Materialien, die mit etwas Fantasie eine Vielzahl von Möglichkeiten der Umsetzung zulassen, faszinieren ihn. Düsel bearbeitete die gewachsenen Formen mit Kettensäge, Winkelschleifer und Hobel und flammte sie anschließend mit dem Brenner. Die abgekühlte Oberfläche wurde zusätzlich mit Leinöl imprägniert.
Pieter Obels
400x200x200cm
Pieter Obels zeigt bei dieser Triennale-Ausgabe zwei große Skulpturen: No strings attached und Inevitable perplexity. Im Allgemeinen sind seine Skulpturen eine Darstellung davon, wie er die Natur erlebt. Er wuchs auf einem Bauernhof in den Niederlanden auf und war schon immer von Natur und Pflanzen umgeben.
Während seiner Ausbildung an der Kunstakademie erlernte er verschiedene Techniken, wobei ihm Stahl (Blech) und Ton am besten gefielen. Stahl ist ein starkes Material, mit dem man große Konstruktionen bauen kann, aber gleichzeitig ist es auch gut formbar wie Ton. Die Arbeit mit Stahl gibt ihm viele Möglichkeiten, „seine Träume mit großer Geschwindigkeit zu bauen“. Die Skulpturen entstehen organisch, es gibt keine Skizzen oder genauen Pläne, wenn er zu bauen beginnt, nur eine Idee, wie es werden soll. Er folgt dem Stahl, seinen Formen und Biegungen.
Cortenstahl neigt zum Rosten und gibt den Formen eine sehr natürliche Farbe. Er verändert sich ständig unter dem Einfluss des Wetters, bleibt aber organisch.
Jörg Plickat
Plickats Skulptur Helping Hands, Homage to Humanity hat 2017 den NordArt-Preis gwonnen. In Bad Ragaz wurde sie im See des Gießenparks platziert und bildet so ein komplexes Landschaftsbild, dessen Komponenten die unberührte Berglandschaft der Hochalpen, die Kulturlandschaft des Parks, der Stausee am ehemaligen Rheinarm und die implantierte Skulptur sind – die sich im See spiegelt. Die sehr gegensätzlichen Komponenten vereinen sich hier zu einer räumlich-ästhetischen Komposition, wobei sowohl Landschaft als auch Skulptur ganz ungewöhnlich in einem neuen, fast unwirklichen Gleichgewicht erscheinen.
Das Thema ist das selbstverantwortliche soziale Engagement innerhalb einer Gesellschaft: „Das Zusammenleben kann nur funktionieren, wenn es einen sozialen Brückenschlag zwischen den Stärkeren und den Schwächeren gibt“, erklärt der Künstler.
Auch Plickat arbeitet mit Stahl, einem Material, das in diesem Jahrhundert zusammen mit Beton für technische Konstruktionen verwendet wird. Hier steht der Stahl in starkem Widerspruch zur umgebenden Natur, kann sich aber durch seine fast organisch wirkende Oberfläche integrieren.
Vera Röhm
Vera Röhms Skulptur für die 8. Schweizerische Triennale der Skulptur ist eine Installation aus 25 Textkuben. Sie stehen in einem Schachbrettmuster vor dem Grand Hotel Bad Ragaz und bringen den Satz „Die Nacht ist der Schatten der Erde“ in 25 verschiedenen Sprachen und Schriften zur Geltung. Der Satz – ein historisches Zitat des Gelehrten Johann Leonhard Frisch (1666–1743) – fängt eine Beobachtung ein, die für Vera Röhm jeder sehende Mensch wahrnehmen kann: Der Abend wird dunkel und die Nacht bricht herein.
Die ersten Textkuben präsentierte sie 1999. Auch in anderen Arbeiten untersucht sie den Schattenwandel anhand von stereometrischen Körpern und setzt sich mit Astronomie, Philosophie, Geometrie und Poesie auseinander. Der Kubus nimmt eine Doppelrolle ein: in seiner Bedeutung als Erde (nach Platon) und in seiner Form als Nacht-Dunkel-Körper. Nacht, Schatten und Erde bilden eine Einheit.
In der nun gezeigten Installation mit 25 Textkuben verwandelt sich dieser Eindruck in Vielfalt und Gleichwertigkeit aller Sprachen in deren Variation. „Ich finde die Vielfalt der Sprachen auf dem Globus, mit denen dieser Satz gesagt werden kann, staunenswert,“ sagt die Schweizer Künstlerin. Für die Textkuben verwendet sie Aluminium und Licht. Der Satz „Die Nacht ist der Schatten der Erde“ wird aus dem Metall herausgelasert.
© Vera Röhm / VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Urs-P. Twellmann
Der Schweizer Künstler Twellmann ist ein Holzspezialist. Auf der diesjährigen Triennale präsentiert er Eichen-Passagen. Vier Stücke aus Eichenholz: ein Stamm, der durch zwei Schnitte mit der Kettensäge entstanden ist. Ein minimalistischer Ansatz – mehr Konzept als Holzskulptur. Der Künstler gestand uns, dass es nicht einfach war, einen Baum zu finden, der, wenn er quer gesägt wird, mehr als einen Bogen möglich macht.
Alles in allem bieten die idyllische Stadt und ihre Parks einen mehr als adäquaten Rahmen für die Kunst: Wir sind sicher, dass die Skulpturen, wenn man sie selbst entscheiden ließe, nie wieder wegwollen würden. Viele sind tatsächlich geblieben. Eine spezielle Übersicht erklärt, welche Skulpturen sich in der ständigen Sammlung von Bad Ragaz befinden und welche zum Programm der aktuellen Triennale gehören. Die Ausstellung ist bis zum 31. Oktober täglich geöffnet und der Eintritt ist frei: Lassen Sie sich das nicht entgehen!
Autorin: Ilaria Specos
Übersetzung: Andreas Schnietz
Juli 2021
Cover picture: Jörg Plickat, Helping Hands, Homage to Humanity. Foto: Fabio Spadin