Riëlle Beekmans, Kusjes. Woodland path. Images courtesy of The Hannah Peschar Sculpture Garden.
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Ein Garten der Verbindungen: Hannah Peschars Vermächtnis und die Kraft der Gemeinschaft

Seit 20 Jahren fördert Sculpture Network Kontakte innerhalb und außerhalb Europas. Eine unserer dauerhaftesten Beziehungen besteht mit dem Hannah-Peschar-Skulpturengarten in Surrey, Großbritannien. Der Ort, an dem sich unsere gemeinsame Geschichte inmitten von Bäumen und Skulpturen offenbart, ist geprägt von der Leidenschaft für zeitgenössische Kunst, die wir miteinander teilen.

Eine Vision, die ihrer Zeit voraus war

Hannah Peschar (1939–2021), die Gründerin des Skulpturengartens, war von Anfang an eine engagierte Unterstützerin von Sculpture Network. „Sie erkannte, wie wichtig es ist, für diesen Bereich der Kunstwelt ein Netzwerk in Europa und darüber hinaus zu schaffen“, erinnert sich Victoria Leedham, Galeriemanagerin und Ko-Kuratorin des Skulpturengartens. Hannah war eine stolze Niederländerin, die im grünen Südengland lebte und bestrebt war, die „etwas konservativen Ansichten darüber, was Kunst sein kann – und wie man Kunstwerke im Freien ausstellt“ zu hinterfragen. Ihre Vision, nämlich zeitgenössische Skulpturen im Einklang mit der Natur aufzustellen, verwandelte einen stillen Ort in Surrey in einen der berühmtesten Skulpturengärten Großbritanniens. Lange bevor Skulpturengärten im Freien in Mode kamen, sah sie die Interaktion und den Dialog zwischen Kunst und Landschaft vor Augen – und dieser Dialog dauert bis heute an.

Hannah Peschar Sculpture Garden, Neil Wilkin, Flower Garden
Hannah Peschar Sculpture Garden, Neil Wilkin, Flower Garden

Eine Reise beginnt

„Als ich im Skulpturengarten zu arbeiten begann, war ich mit meinen 22 Jahren ziemlich naiv und eher behütet aufgewachsen“, erinnert sich Victoria. „Bis dahin hatte ich Kunst im Freien nur als öffentlich ausgestellte Skulpturen oder auf Fotos von Werken und Installationen erlebt. Hannahs Vision, Kunstwerke so zu platzieren, dass sie sich harmonisch in ihre Umgebung einfügen, war ein völlig neues und faszinierendes Konzept. Damals ahnte ich noch nicht, dass dies einmal meine ganze Welt werden würde.“

Eine der ersten lebhaften Erinnerungen Victorias waren „zwei riesige Keramikgefäße des deutschen Künstlers Norbert Prangenberg, die Hannah im Wald aufgestellt hatte. Ich hatte so etwas noch nie gesehen, und Hannah war unglaublich stolz darauf, seine Arbeiten zeigen zu können.“

Keramik lag Hannah schon immer besonders am Herzen, und sie unterstützte europäische Bildhauer:innen, die häufig mit diesem Material arbeiteten.  „Sie fand außerordentliche Hersteller:innen, wie man sie in Großbritannien noch nicht kannte“, sagt Victoria. Über ihre Freundschaft zu Ien van Wierst, dem Gründer des Palmyra Sculpture Centre, kam sie zu Sculpture Network, einem europaweit agierenden Netzwerk von Kurator:innen, Künstler:innen und Kunstbegeisterten, die wie sie selbst von Neugier und Mut geleitet wurden.

“Ich weiß noch, mit welcher Begeisterung Hannah mir davon erzählte, dass sie nach Spanien zu einem „Dialog“ fahren wollte, was auch immer das genau war“, sagt Viktoria und lacht. „Als Ergebnis dieser Reise konnten wir im Jahr darauf Arbeiten von Künstler:innen ausstellen, die wir über Ien van Wierst kennengelernt hatten. Ich begriff immer mehr, welche Möglichkeiten Sculpture Network für Künstler:innen und Kurator:innen eröffnet.“

Hannah Peschar Sculpture Garden, Victoria Leedham with the participants of a Dialogue
Hannah Peschar Sculpture Garden, Victoria Leedham with the participants of a Dialogue

Dialoge unter Bäumen

Über die Jahre fanden zwei Sculpture Network Dialoges in diesem Skulpturengarten statt, bei denen sich Mitglieder trafen, um gemeinsam Kunst vor Ort zu erleben und Ideen auszutauschen. Beim ersten Treffen im Jahr 2015 konnten wir Johannes von Strumm zu einem Vortrag begrüßen, gefolgt von einer Führung, die Hannah selbst leitete. „Neun Jahre später veranstalteten wir einen speziellen Herbstdialog, um das 40-jährige Jubiläum des Skulpturengartens zu feiern“, sagt Victoria nicht ohne Stolz. Während einer Führung, die Victoria als eine der jetzigen Kurator:innen leitete,  gaben die niederländischen Künstlerinnen Yke Prins und Riëlle Beekmans Einblicke in ihre künstlerische Praxis. „Und als Bonus“, erinnert sich Victoria, „kam Michael Joseph, dessen Werke gerade ausgestellt wurden, überraschend dazu und bot an, am Ende der Führung über seine Arbeit zu sprechen.“

Hannah Peschar Sculpture Garden, Hannah and Johannes von Stumm
Hannah Peschar and Johannes von Stumm

Momente wie diese verkörpern die Werte, für die Sculpture Network seit jeher steht: den offenen Austausch von Ideen, die Freude an Entdeckungen und das Gefühl der Zugehörigkeit, das entsteht, wenn Menschen durch die Kunst der Bildhauerei zusammenkommen.

“In dieser offenkundig gespaltenen und unsicheren Welt“, sagt Victoria nachdenklich, „ist Sculpture Network etwas Einzigartiges. Indem es Liebhaber:innen der Bildhauerei weltweit zusammenbringt, vereint es Menschen aller Rassen, Religionen und politischen Auffassungen… und ermöglicht es uns,  unsere Differenzen beiseitezustellen und das zu feiern, was wir lieben.“

Hannah Peschar Sculpture Garden, Yke Prins and Riëlle Beekmans
Hannah Peschar Sculpture Garden: Yke Prins and Riëlle Beekmans

In schwierigen Zeiten in Verbindung bleiben

Gerade während der Pandemie, als persönliche Begegnungen nicht möglich waren, war dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit von ganz besonderer Bedeutung. „Die Pandemie war eine Zeit, in der sich die Menschen isoliert fühlten“, erinnert sich Victoria. „Die virtuellen Vorträge und Gespräche, die Sculpture Network organisierte, waren wie eine Atempause von den beängstigenden Geschehnissen der Außenwelt.  Für uns, die wir zuschauten, waren sie eine dringend nötige Flucht aus der Realität. Aus der Sicherheit unserer Küchen und Wohnzimmer konnten wir weit entfernt gelegene Künstlerateliers, Ausstellungen und Parks besichtigen.“

Im Jahr 2022 war Victoria selbst Gastrednerin bei einem Online-Event für Mitglieder von Sculpture Network. „Es war für mich wirklich beeindruckend, mit Mitgliedern aus so weit entfernten Regionen wie dem Nahen Osten zu sprechen“, sagt sie. „Das hat mir gezeigt, wie die Bildhauerei und die davon inspirierten Gespräche jede Grenze überschreiten können.“

Eine Tradition lebt weiter

Nach Hannahs Ruhestand übernahmen Victoria und Anthony Paul, der die Ausstellungen mitkuratiert, die Aufgabe, die Tradition des Gartens weiterzuführen. „Für mich persönlich war es ein Privileg, Mitglied bei Sculpture Network zu sein, die Leitung von Hannah zu übernehmen und mich für die Künstler:innen, ihre Arbeiten sowie das Ethos der Galerie zu engagieren“, sagt Victoria.

Ein Höhepunkt in Victorias Karriere war der von Sculpture Network organisierte Besuch im Londoner Atelier von Sir Antony Gormley, einem der renommiertesten britischen Kunstschaffenden auf dem Gebiet der Bildhauerei. „Ich bewundere ihn seit meiner frühesten Jugend“, gibt sie zu. „Als ich beim Treffen ankam, stellte ich fest, dass ich diese unglaubliche Ehre mit mehreren Künstler:innen teilen konnte, deren Werke wir bereits in unserem Skulpturengarten ausgestellt hatten. Dadurch wurde dieser Atelierbesuch für mich zu einem ganz besonderen Erlebnis.“

Für Victoria sind es gerade diese Begegnungen auf Augenhöhe zwischen jungen und etablierten Künstler:innen, die Sculpture Network ausmachen. „Wir haben eine gemeinsame Plattform für Bildhauer:innen, Kurator:innen und Galerist:innen, die ihre Leidenschaft, ihr Wissen, ihre Expertise und ihre Erfahrungen miteinander teilen… Es ist wie eine große Familie.“

Auch mit Blick auf die nächsten zwanzig Jahre bleibt dieser Geist der Verbundenheit bestehen. Ob unter den Bäumen in Surrey, in einem Hof in Spanien oder bei virtuellen Atelierbesuchen über Kontinente hinweg: Sculpture Network bringt auch weiterhin Menschen zusammen und würdigt die Kraft der dreidimensionalen Kunst, unsere Welt zu prägen, zu hinterfragen und zu verbinden.

Ronald van der Meijs, 'Sound Architecture 5' detail. Images courtesy of The Hannah Peschar Sculpture Garden.
Ronald van der Meijs, 'Sound Architecture 5' detail. Images courtesy of The Hannah Peschar Sculpture Garden.

Über den Autor/ die Autorin

Ilaria Specos

Italienerin in Deutschland mit einer Leidenschaft für Sprachen, zeitgenössische Kunst und Reisen. Ich habe Kunstgeschichte in Verona (IT) und Utrecht (NL) studiert und arbeite seit 2014 bei Sculpture Network.

Übersetzung

Elka Parveva-Kern

Elka Parveva-Kern unterstützt Sculpture Network seit 2024 als Übersetzerin - eine wunderbare Gelegenheit, ihr langjähriges Interesse an Sprachen und Kunst zu verbinden.

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