Landesmuseen Schloß Gottorf

Schloß Gottdorf
24837 Schleswig
Deutschland

Ingo Günther: Worldprocessor

Planet Earth is still blue… aber es gibt eine Menge Dinge, die wir tun können.

Das berühmte Foto Earthrise, das während der Apollo-8-Mission entstand, zeigt, wie die Erde über dem Mond aufgeht. Es wurde am 24. Dezember 1968 aufgenommen und gilt als wesentlicher Impuls für die Entstehung der Umweltbewegung, da es den „Overview-Effekt“ bietet, den Weltraumfahrer*innen immer wieder als ein bewusstseinsveränderndes Erlebnis beschrieben haben. Die Reise ins All kennt Gewinner und Verlierer, Katastrophen, den Wettkampf der politischen Systeme, den enormen Erkenntnisgewinn und den Blick zurück auf die Erde, der die Schönheit und die Fragilität des „Blauen Planeten“ offenbart. Wenn es in David Bowies Song Space Oddity von 1969 heisst „Planet Earth is blue / And there's nothing I can do“, dann schwingt darin auch die Ohnmacht mit, die Zerstörung des ebenso blauen wie traurigen Planeten wohlmöglich nicht mehr aufhalten zu können. 

Ludwig Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus (1929) beginnt mit der Feststellung, dass die Welt alles sei, was der Fall ist. Und genau dieser Satz findet sich auch auf einem der mehr als 1.000 illuminierten Globen, die der Medienkünstler Ingo Günther (*1957, Bad Eilsen) seit 1989 geschaffen hat. Seine Worldprocessor-Globen zeigen ganz im Sinne Wittgensteins Sachverhalte, Zusammenhänge und Zustände der Welt und können als ein kritisches Kompendium zur Globalisierung verstanden werden. 

Ingo Günther studierte zunächst Ethnologie und Kulturanthropologie und besuchte anschließend die Düsseldorfer Kunstakademie. 1987 wurde er als Korrespondent bei den Vereinten Nationen in New York akkreditiert und begann sich eingehend mit der Visualisierung von statistischen Daten zu beschäftigen. Seine Globen zeigen visualisiertes Wissen und veranschaulichen Schuldenberge, Fahrzeugdichte, Migration, die Verschmutzung der Weltmeere, Rüstungsausgaben, den Rückgang der Biodiversität etc. als globale Tatsachen.

Die illuminierten Globen manifestieren eine variantenreiche und faktenbasierte Ästhetik über das Leben auf der Welt. Günther geht es in seiner künstlerischen Arbeit um das intellektuelle und emotionale Erfassen dieser Welt und er sieht sich selbst in der Rolle des nüchternen Berichterstatters von Informationen. In seiner künstlerischen Praxis verwendet er journalistische und wissenschaftliche Methoden und nutzt die Globen zur Präsentation sozialer, politischer, ökonomischer und militärischer Informationen. Der enorme Daten- und Wissenszuwachs sowie die rasanten Veränderungen der Welt-Verhältnisse erfordern, dass der Künstler seine Globen mittlerweile im Jahresrhythmus neu bearbeiten muss.

Ging es ihm anfangs darum, mittels weltumspannender Perspektive und in aufklärerischer Absicht Missstände und Ungerechtigkeiten aufzudecken, so musste er später zu seiner eigenen Überraschung feststellen, dass die globalen Daten die Entwicklung und Situation der Menschheit in den zurückliegenden 50 Jahren wesentlich erfolgreicher und besser erscheinen lassen und damit deutlich mit der Katastrophenberichterstattung der Massenmedien und dem Geraune der sozialen Medien kontrastieren. Vielleicht stehen ja die Chancen für hoffnungsvolle Weltbürger, die ein neues Bild von der Welt entwerfen wollen, gar nicht so schlecht. 

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