In der griechischen Mythologie versuchte Ikarus mit seinem Vater Dädalus mittels selbstgebauter Flügel aus Wachs und Federn vor König Minos von der Insel Kreta zu fliehen. Trotz der Warnung seines Vaters flog der übermütige Ikarus zu hoch, das Wachs seiner Flügel schmolz in der Hitze der Sonne, die Flügel fielen auseinander und er stürzte ins Meer.
Meine Arbeit zeigt die Bewegung des Fallens, den Moment vor dem endgültigen Aufschlag. Ikarus fällt kopfüber; die Schultern berühren bereits die Erdoberfläche. Die Arme sind seitlich über den Kopf ausgestreckt, die Beine hängen weiter höher in der Luft. Die ehemals umgeschnallten, künstlichen Flügel sind nicht mehr vorhanden und können den Körper nicht mehr tragen. Lediglich ein paar Federn sind es noch, nach denen Ikarus greift. Die dunkle Farbe, zeugt von Schwere, die ganze Figur drückt durch ihre unregelmäßige Form eine große Dramatik aus. Einzig der Blick des Fallenden folgt ihr nicht. Sicherlich sind die Augen ein wenig geweitet, die Stirn ein wenig gefaltet, doch Ikarus ist weder ängstlich noch panisch. Es ist ein Moment des Ergebens, des Abwartens.
Bereits in der Antike gab es mehrere Darstellungen der Erzählung. Die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Versionen, aber auch deren relative Deutungsoffenheit haben bis heute eine uneinheitliche Bewertung des Mythos zur Folge. Im Allgemeinen wird dieser jedoch so gedeutet, dass der Absturz und Tod des Übermütigen die Strafe für seinen unverschämten Griff nach der Sonne sind.
Mit meiner Arbeit will ich kein Urteil zur Frage nach der Schuld abgeben. Es ist die Darstellung einer Bewegung, die mich gereizt hat. Es ist ein Moment des Fallens, ein Moment kurz vor dem Tod, den ich zeige. Tatsächlich hat es Ikarus für eine kurze Zeit geschafft, seine Erdverbundenheit zu überwinden. Er hat hoch gegriffen und muss nun die Konsequenzen seiner Handlung tragen. Er hat sich dem Schicksal ergeben. Ikarus schaut also noch einmal zurück, mit klarem Blick, gen Himmel. Kein Wehmut, kein Leid, denn er hat die Gewissheit, das Fliegen erfolgreich versucht zu haben – wenn auch in jugendlichem Leichtsinn er das wahre Ziel nicht erreicht und sein Leben ein Ende hat. Manch einer hat sich trotz des negativen Endes ein Vorbild an ihm genommen.