Kröller-Müller Museum
Houtkampweg 6
6731 Otterlo
Niederlande
Joseph Beuys: Straßenbahnhaltestelle
Joseph Beuys (Krefeld 1921 – Düsseldorf 1986) war einer der einflussreichsten und politisch engagiertesten Künstler im Nachkriegsdeutschland. Neben seiner künstlerischen Arbeit wirkte er später auch als Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Vom 19. April bis zum 5. Oktober sind im Kröller- Müller Museum zwei seiner Werke ausgestellt: Straßenbahnhaltestelle (1976) und Filzanzug (1970).
Eine sanfte Gesellschaft
Für Joseph Beuys bilden Kunst und Leben eine untrennbare Einheit. Sein Werk ist voller persönlicher Symbolik, die sich auf zentrale Lebensereignisse bezieht – auch wenn manche davon frei erfunden sind. Diese persönliche Ebene nutzt er, um Kunst mit einem gesellschaftlichen Ziel zu verbinden: ein Zusammenleben zu fördern, in dem Wärme, Sanftheit und Irrationalität ihren Platz haben, und in dem jeder Mensch ein Künstler ist.
Spektakuläre Installation
Straßenbahnhaltestelle geht auf eine Kindheitserinnerung von Beuys in Kleve zurück. Die Installation besteht aus einer Straßenbahnschiene und Abgüssen des Denkmals Der Eiserne Mann (1653). Das Monument, das an den Achtzigjährigen Krieg erinnerte, wurde 1794 von Napoleons Truppen zerstört. Als Beuys nach der Schule neben den Überresten auf die Straßenbahn wartet, spürt er ihre eindringliche Kraft. Er erkennt, dass „die ganze Welt von der Konstellation einiger weniger Materialbrocken abhängt“. Dieser Gedanke bildet die Grundlage für seine Auffassung, dass Skulptur ein fortwährender und sozialer Prozess ist.
Beuys schuf diese Installation für den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Überreste davon sind heute im Kröller-Müller Museum abgelegt – fast so, als wären sie begraben.
Selbsterfundene
Legende Filzanzug (1970) bezieht sich auf ein weiteres für Beuys lebensveränderndes Ereignis im Zweiten Weltkrieg – auch wenn es teilweise seiner Fantasie entspringt. Nachdem sein Kampfflugzeug 1944 über der Krim abstürzte, soll sein Leben von Tataren gerettet worden sein, die ihn in Fett und Filz einwickelten, um seine Körperwärme zu erhalten. Mit dieser selbst erschaffenen Legende erklärt Beuys die häufige Verwendung von „warmen“ Materialien in seiner Kunst, wie Fett, Filz und Kupfer (Flexibilität, Isolation, Leitfähigkeit). Der nach seinem eigenen Körper geformte Filzanzug symbolisiert Isolation und Schutz vor den Einflüssen der Außenwelt.