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Von Fleischeslust und anderen Innenleben

Auch wenn die Museen gerade geschlossen sind, müssen Sie auf den Kunstgenuss nicht verzichten. In diesem Beitrag von "Claudine liebt Kunst" nehmen wir Sie mit ins Haus der Kunst in München.

Wenn das Haus der Kunst einlädt, ist das meist eine feine Sache. Diesmal haben sich Claudine und clk-Autor Boris auf den Weg gemacht, um das "Innenleben" zu entdecken.

Das ist der Ausstellungstitel, unter dem vier Künstlerinnen Premiere feiern und tiefe Einblicke in unsere Gesellschaft gewähren. Eine hat dabei das Innerste nach außen gekehrt, die andere beeindruckt durch neue Perspektiven, eine hing eher so rum und die Vierte im Bunde ist auf dem Teppich geblieben. Wer wer ist und ob sich der Besuch lohnt, erfahrt ihr hier …

Zum Start gleich mal die erste Herausforderung: In einem Zug den englischen Dachtitel der Ausstellung aussprechen zu können, ohne zu klingen wie ein bayerischer Möchtegern-Ami nach der Superbowl-Party in der Sportsbar: #interiority. Nachdem wir uns bereits die Zunge verknotet hatten und die Ohren bluteten, haben wir uns einvernehmlich auf das deutsche Innenleben geeinigt. So. Mia san mia. Passt scho!

Man wächst ja mit seinen Aufgaben. Als Team entsprechend zusammengeschweißt, enterten wir die große rote Couch im Foyer des immer wieder beeindruckend-einschüchternden Gebäudes. Die kann auch was im Sinne von bequem, doch die sympathische Einführung hat uns schnell bewogen, die soeben erwärmten Plätze für den Start des Community walks schnell zu verlassen. Mit dabei eine durchaus beachtliche Zahl an Kolleginnen und Kollegen, da hat die Öffentlichkeitsarbeit offensichtlich einen guten Job gemacht. Dimona Stöckle, die der Kuratorin Anna Schneider vermutlich mehr als nur eine große Hilfe war, stellte bescheiden das erste Highlight vor: sich selbst. Selten eine so fokussierte Einleitung ohne Skript gehört. Sie ließ vermuten, dass hier nur ein Bruchteil des vernetzten Wissens kommuniziert wird – mit galanter Rücksicht auf uns Blogger. Da es unglaublich viel über die Künstlerinnen zu erfahren gibt, haben wir die Infos des Haus der Kunst zur Ausstellung am Ende des Beitrags verlinkt und beschränken uns hier, wie immer, auf die Emotionen.
 

Leonor Antunes

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Die Exponate von Leonor Antunes, die mit ihren Lampen und dem etwas unauffälligen Korgboden zu Beginn der Bloggerwanderung erst auf den zweiten und dritten Blick vor dem Hintergrund historischer Ereignisse begeistern können, könnten auch zum Interior des HdK gehören. Was die Dame auszudrücken weiß, erklärte sich uns nicht von selbst. Wir raten unbedingt die Tafeln zur Künstlerin zu lesen oder noch besser eine Führung wahrzunehmen.

Fazit: Die Geschichte dahinter ist spannender als die Kunst selbst. 
 

Njideka Akunyili Crosby

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Njideka Akunyli Crosby bietet da eine buchstäblich buntere Welt – und (bitte entschuldigen Sie liebe Leonor Antunes) visuell spannendere Perspektiven. Sozialkritische Interiorszenen mit Real-Bezug auf die leider immer noch oft mit stereotypen Klischees behaftete dunkelhäutige Bevölkerung Afrikas sind auf Papier gemalt und bieten verblüffende Perspektiven. Gekonnt und aufwendig mit ins Werk eingebettete Bilder aus Mode-Magazinen veredeln die Kunst, schaffen eine interessante Vielfältigkeit und sind buchstäblich mehrdimensional. Kleine Info für Besserwisser: die gerahmten Bilder sind Leihgaben, die Bilder mit der praxisorientierten, funktionalen Klammerhängung in Besitz der Künstlerin. Raumtrenner aus Metall in afrikanischen Farben schaffen eine gewisse Raumstruktur.

Fazit: Gelungen, anschauen!
 

Henrike Naumann

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Einen Raum weiter gelangt der Ausstellungsbesucher in ein etwas zu helles Ambiente und darf einem atonal komprimierten Stimmen-Loop folgen. Schnell stellt man sich die Frage, die man oft mit Beuys verbindet: „Und das ist … Kunst?“. Die überwiegend von der Künstlerin über ebay Kleinanzeigen erworbenen Stücke erinnern an Unverkäufliches aus Omas Dachboden – nur ohne Spinnennetze und Muffgeruch. Wir lernen, dass Henrike Naumann die Installationen mit einer akribischen Sucht nach Perfektion (das ist unsere Wortwahl) arrangiert und der Komposition im HdK drei Wochen ihres Lebens gewidmet hat. Dass sich die Künstlerin in diesem Raum an Hitler abarbeitet und dessen ländliche Repräsentationsbühne in Berchtesgaden samt Kamin und mit Möbel-Roller-ähnlichen 80er-Pressspahn-Möbeln für den adaptierten Alpenausblick darstellt, ist dann doch ein interessantes Detail. Die Besonderheit der Exponate mit Schlappen unterm Tisch, großem Holzbesteck, Metall-Regalen wie man sie aus dem Trend-SB-Markt beliebter Möbelhäuser fürchten gelernt hat und lederartigen Sitzgruppen, die nicht zum Verweilen einladen, hat sich uns nebst Teppichboden im Teppich-Domäne-Stil nicht erschlossen. Liegt wahrscheinlich mehr an uns als an der Künstlerin. Mea culpa.


Adriana Varejão

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Im nächsten Raum der Ausstellung zeigt Adriana Varejão Mauerstücke, Bilder und Kacheln, die Einblicke in körperliche Innereien geben, abgerundet von Bildern mit Körperhälften, die unvermittelt auf die Massaker in brasilianischer Vergangenheit hinweisen. Fasziniert und abgeschreckt zugleich ziehen die Exponate den Zuschauer in ihren Bann. Die Künstlerin wird als eine der wichtigsten Vertreterinnen brasilianischer Gegenwartskunst gehandelt und präsentiert hier Ihre Werke doch zum ersten Mal in musealem Rahmen in Deutschland.

Fazit: Unser Highlight der Ausstellung Innenleben – das Beste kommt eben oft am Schluss.

Fazit: Die größte Kunst besteht ja oft in ihrer Beschreibung. Das ist den Ausstellungsmachern mal wieder trefflich gelungen. Wer wie wir in den echten Genuss kommt, von Dimona Stöckle durch die Ausstellung geführt zu werden, bekommt ein ganz anderes Bild. Und nein, wir sind nicht verwandt oder bekannt mit der jungen Dame und ihre Telefonnummer wollten wir, um sie und ihre Arbeit demnächst für Euch zu porträtieren.

Anyway, zurück zur Ausstellung: Hingehen oder nicht? Innenleben wird nicht jedem gefallen, das Thema Interior ist zudem eine zunächst eher irreführende, wenn auch nach dem Besuch nachvollziehbare Klammer. Doch wer bereit ist, sich mit den Künstlerinnen und ihren nicht immer sofort plakativen Botschaften auseinanderzusetzen, geht dennoch mit einem guten Gefühl und einem nachhaltig intellektuellen Ansporn diskutierend aus der Ausstellung.

 

 

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