Deutschland
Herta Seibt de Zinser
Die Bildhauerin Herta Seibt de Zinser ist auch eine Zeichnerin. Sie steht seit Jahren fast jeden Morgen sehr früh auf, um ihren Naturstudien nachzugehen. Sie untersucht mit der Lupe etwas, das sich ihr in ihrem Umfeld, in ihrem Garten anbietet: sei es ein Blatt oder eine Blüte, sei es ein Zweig oder eine Frucht. An diesem Naturprodukt studiert sie eingehend die sich ihr bietende Vielfalt an Formen und Linien und hält ihre Untersuchungen möglichst exakt auf einem Bogen Papier fest. Dafür reichte ihr jahrelang ein schlichter Bleistift, sie ist aber längst zur alten Technik mit dem Silberstift übergegangen, bei der man zuvor das Papier aufwändig mit einer Grundierung präparieren muss. Zeichnen mit dem Silberstift kann nicht korrigiert werden und erfordert höchste Konzentration. Da Natur zu keinem Zeitpunkt zwischen figurativ und abstrakt unterscheidet, dienen ihr diese Studien in meditativer Weise als Fokussierung auf das Wesentliche: die Natur. Herta Seibt de Zinser versteht ihr ganzes Tun als umfassende Hommage an die Schöpfung.
Während ihrer intensiven Beschäftigung mit diesen Linien und Formen machte sie die Entdeckung, dass eine so per Lupe flächig aufs Papier gebrachte natürliche Formenvielfalt sich zusehends in Figuration verwandeln kann. Wie sehr für Herta Seibt de Zinser Kunst und Natur zusammen gehören, zeigt sich besonders in ihren bildhauerischen Arbeiten. Sie ist bekannt für ihre Rohrbilder, großrahmige Gebilde, für die sie Rohre unterschiedlicher Stärke sehr aufwändig in einem schweißtechnischen Verfahren erhitzt, verbiegt, verformt und zusammenfügt, um sie wie kalligraphisch großformatige Zeichen in ein dafür ausgesuchtes Umfeld zu platzieren.
Wenn Herta Seibt de Zinser mit Erhitzen und Verbiegen von Rohren beginnt, kennt sie noch nicht das Endresultat ihrer Arbeit, hat sich jedoch intensiv mit dem räumlichen Umfeld auseinandergesetzt, in dem sich die Skulptur zu behaupten hat. Im Arbeitsprozess selbst lässt sie sich davon leiten, wie das Metall der Rohre ,mit geht, wie es sich biegen lässt, wie es ‚fließt‘, welche Wege die Verformungen als weiteren Verlauf anbieten. Es ist eine äußerst abstrakte Vorgehensweise, bei der sie zudem bewusst diverse Gelenkstellen einbaut, denn auch eine vermeintlich starre Skulptur muss veränderbar sein, ist dem allumfassenden Gesetz des Lebens unterworfen: dem steten Wandel. Wie die Natur ist auch Kunst für Herta Seibt de Zinser eine treibende Kraft, die sich in Vielfalt äußert. Alle Formen der Kunst sind Ausdruck einer einzigen Kraftquelle, aber Veränderungen unterworfen.
Ihre Arbeiten behaupten sich in der alpinen Felslandschaft, sie nehmen Kontakt auf zu Bäumen und Büschen in Parks, sie passen sich einem sehr urbanen Umfeld an oder erobern sich auch mit majestätischer Ruhe in einer geschlossenen Architektur ihren Raum. Und wie ein roter Faden zieht sich das Thema Transformationen durch all ihre Arbeiten, was besonders in Kooperation mit anderen Kunstgattungen in ihren beeindruckenden Performances erlebbar wird.
Regine Kemmerich-Lortzing / Februar 2024
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The sculptor Herta Seibt de Zinser is also a draughtswoman. She has been getting up very early almost every morning for years to pursue her nature studies. She uses a magnifying glass to examine something that presents itself to her in her surroundings, in her garden: be it a leaf or a flower, a twig or a fruit. She uses this natural product to study the variety of shapes and lines that present themselves and records her investigations as precisely as possible on a sheet of paper. For years, a simple pencil was enough for her, but she has long since switched to the old technique of using a silverpoint pen, which requires the paper to be painstakingly prepared with a primer beforehand. Drawing with a silverpoint pencil cannot be corrected and requires maximum concentration. Since nature never distinguishes between figurative and abstract, these studies serve her in a meditative way as a focus on the essential: nature. Herta Seibt de Zinser sees her entire work as a comprehensive homage to creation.
During her intensive study of these lines and shapes, she discovered that a natural variety of forms, brought onto paper in this flat form using a magnifying glass, can be visibly transformed into figuration. The extent to which art and nature belong together for Herta Seibt de Zinser is particularly evident in her sculptural works. She is known for her pipe pictures, large framed structures for which she heats, bends, shapes and joins pipes of different thicknesses in a very elaborate welding process in order to place them like large-format calligraphic signs in a specially selected environment.
When Herta Seibt de Zinser begins to heat and bend pipes, she does not yet know the end result of her work, but has intensively studied the spatial environment in which the sculpture has to assert itself. In the working process itself, she is guided by how the metal of the pipes 'goes with it', how it can be bent, how it 'flows', which paths the deformations offer as a further course. It is an extremely abstract approach, in which she also deliberately incorporates various joints, because even a supposedly rigid sculpture must be changeable and is subject to the all-encompassing law of life: constant change. For Herta Seibt de Zinser, art, like nature, is a driving force that expresses itself in diversity. All forms of art are an expression of a single source of power, but are subject to change.
Her works assert themselves in the alpine rocky landscape, they make contact with trees and bushes in parks, they adapt to a very urban environment or conquer their space with majestic calm in a closed architecture. And the theme of transformation runs like a common thread through all her works, which can be experienced in her impressive performances, particularly in cooperation with other art genres.
Regine Kemmerich-Lortzing / February 2024