LUXURIA Themed Competition 2018
GALERIE STØRPUNKT 19. Januar bis 23. Februar 2017, München
Am 18. Januar startete mit einem gut besuchten Vernissage-Abend die Ausstellung LUXURIA in der Maxvorstadt bei Stephan Stumpf. Eine öffentlich ausgeschriebene, künstlerische Aufarbeitung zum wunderbaren Thema WOLLUST – eine der sieben Todsünden der Menschheit. Gefühlte Hunderte von Einreichungen gingen ein, die die Galerie auf der Facebooks-Seite Themed Competition schon während der Bewerbungs-Phase für alle Interessierten ins Netz stellte. Dies steigerte natürlich die Erwartung auf die zehn Auserwählten, die letztendlich den Einzug in die Galerieräume hielten. Meine persönlichen Favoriten möchte ich Euch nun gerne kurz vorstellen:
„My mom always told me I could make gold out of shit but diamonds are a girl’s best friend“ Anna Baranowski
Die Künstlerin Anna Baranowski *klick führt uns mit ihrem Kunstwerk, einer Steele aus Wengeholz und inneliegendem Diamanten vor Augen, daß wir heute tatsächlich aus Sch… alles zaubern können.
Unter Anwendung eines erheblichen Zeit- & Kraftaufwands zur Herstellung des funkelnden Steins weiblicher Begierden, tritt sie den Beweis an, dass sich jede Frau in dieser Form tatsächlich Exkremente um den Hals hängen würde. Zwar kenne ich die Möglichkeit statt Einäscherung, seine Liebsten nach dem Tod weiterhin als Schmuckstück bei sich tragen zu können, doch fand ich die Installation an diesem Abend sehr erfrischend und im Denkanstoß zum Ausstellungs-Thema wirklich gelungen. Mir schwirren beim Anblick auf den eigentlichen Mini-Diamanten, der groß, edel und perfekt geschliffen funkelnd wirkt – die Vergrößerungslinse in der Steele macht dies möglich – einige konfuse Fragen durch den Kopf:
Ist es eine Todsünde aus einem geliebten Menschen einen Diamanten zu machen?
Ist es eine Sünde der Menschheit allgemein, dem Wunsch und der Begierde nach Besitz von Luxus so viel Macht über unser Leben einzuräumen?
Wie verhält es sich, wenn das Grundmaterial nur Ausscheidungen sind?
Zeigt es dann die sinnlose Begierde nach Luxus und damit den Irrsinn unserer Gesellschaft, den Wert des Seins am Besitz von Statussymbolen – wie Diamanten – festzumachen?
Zeigt uns die Tatsache, dass dieses in unseren Augen eigentlich so hochwertige Schmuckstück – aus in Jahrmillionen verdichtetem Kohlenstoff – sogar aus einem Abfallprodukt eines jeden Lebewesens herstellbar ist, nicht den Irrwitz des Menschen, Dinge, die vordergründig selten und schwer zu bekommen sind, als etwas so Wertvolles hochzustilisieren?
Ich denke ich lasse meine Gedanken jetzt einfach mal so stehen, wie Anna ihre Steele im Raum der Galerie.
Für mich ist Baranowski’s Kunstwerk das Key-Piece dieser Ausstellung!
Ein weiteres absolutes Highlight der Ausstellung ist das 4-stündige Performance-Video „Betthupferl“ der Künstlerin Linnéa Schwarz – zu sehen im Aufmacherbild des Beitrags.
Erst nach einem genaueren Blick darauf, geht dem Betrachter ein Licht auf, dass die Person auf dem vermeintlichen Leuchtkasten-Bild schlafend atmet. Die Performance beginnt damit, dass sich eine junge Frau mit einem riesigen, makellosen Schokoladenhasen zu Bett legt. Über 4 Stunden hinweg schmilzt dieser in ihrem Arm und wird dabei immer unansehnlicher! Nehmt Euch die Zeit hinzusehen! Auf ihrer Webseite können wir Bilder des Videos sehen, die in Momentaufnahmen zeigen, wie sich das Bild der Frau mit dem Hasen innerhalb von 4 Stunden verändert!
Linnéa Schwarz zerschnitt am Vernissage-Abend in einer Live-Performance eine Perlenkette und schluckte die einzelnen Perlen mit Wasser. Zum Motiv „Essen von Perlen“ fand ich bei meiner späteren Recherche im Internet, die Anekdote von Kleopatra, die für die Einlösung einer Wette mit ihrem römischen Geliebten Marcus Antonius – vor welchem sie damals prahlte, in nur einer Mahlzeit zehn Millionen Sesterzen verspeisen zu können – eine Perle trank. Etwas so wertvolles zu sich zu nehmen und so mit sich zu verschmelzen, ist wohl eine ganz eigene Art sich der Todsünde in Form von Dekadenz anzunehmen. Linnéa Schwarz erzählte mir aber hinterher, dass es ihr vorallem um die Absurdität ging, die eine scheinbar normale Situation in einen surrealen Moment verwandeln lässt. Fotos dieser Performance TONIGHT I ATE MY NECKLACE gibt es ebenfalls auf ihrer Webseite zu sehen.
Monika Supé zeigt uns die sinnlichste Herangehensweise an das Motto. Ihre wollüstig überladenen Leiber aus gehäkeltem Drahtnetz – teils mit mehreren Brüsten und Beinen versehen – stellen die Auseinandersetzung mit gut proportionierter Weiblichkeit in Skulptur und Bild zur Schau.
Die Wandobjekte des Künstlerkollektivs Eyrich von Motz *klick, bestehend aus den beiden Künstlern Phillip Eyrich & Mateusz von Motz, finde ich als künstlerische Skulpturen besonders gelungen, auch wenn mir der thematische Bezug zum Ausstellungsthema nicht sonderlich klar wird. Trotzdem wäre eines davon wohl der Gewinner, wenn ich mir aus dieser Ausstellung etwas für eine eigene Kunstsammlung auswählen dürfte!
Eine Besucherin der Vernissage zwinkerte mir zu, sie würde das „rostige Fell“ gerne kaufen, als Sinnbild an das neuerdings wieder aufflammende Begehren von Frauen, die wieder Lust auf Intimbehaarung verspüren – was sehr viel mit Wollust zu tun hätte, allerdings wahrscheinlich nicht das Anliegen der Künstler gewesen sein dürfte.
Mein ganz persönliches Ausstellungs-Fazit: Es war weniger sinnlich als ich es erwartet hätte, aber nichts desto Trotz eine interessante, auffordernde Ausstellung.
Wenn auch sehr sparsam umgehend, mit der Sünde, die sich alle mehr erwartet hatten, nämlich die LUST an sich. Vielleicht wollten die Kuratoren aber auch mit voller Absicht die Erwartungen des Publikums durchkreuzen und uns damit belehren, nicht so oberflächlich damit umzugehen. Die Thematik der Ausstellung ist jedenfalls alles andere als vordergründig.
Eines erreicht die Galerie Störpunkt aber in jedem Fall: Ebenso wie bei den für mich unvergesslichen Ausstellungen „RUSH” von Lena Polizka *klick und „ANYTHING BUT DECORATIVE” mit Emilie Steele *klick, geht uns diese nicht so schnell aus dem Kopf. Sie bewegt uns dazu weiterführende Gedankenspiele und Betrachtungsweisen anzustellen.
Störpunkt hält weiterhin was der Name verspricht; stört unsere voreingenommenen Vorstellungen und Sichtweisen, regt uns somit zum Denken an und bleibt damit in unseren Köpfen. Eine besondere Erfahrung und Auseinandersetzung mit der Kunst zu schaffen ist, meiner Meinung nach, genau die Intention, die der Inhaber der Galerie Stephan Stumpf damit verfolgt.
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