Mitgliedsveranstaltung von
Sophie Azzilonna

Sensburger Allee 25
14055 Berlin
Deutschland

Zarte Männer in der Skulptur der Moderne

In auffallender Vielzahl bearbeiteten die Bildhauer seit der Jahrhundertwende den Topos des unversehrten, aber verletzlichen Jünglings. Die Konzeption eines empfindsamen männlichen Körperideals erscheint als bewusste Gegenbewegung zu den heroisch-starken Männerbildern der Zeit. Ihre demonstrative Wehrlosigkeit steht in innerem Widerspruch zur Brutalität der äußeren Wirklichkeit.

In einem Umfeld des kriegerisch-militanten Selbstbewusstseins der späten Kaiserzeit und noch junger Demokratiebewegungen suchten die vorwiegend männlichen Künstler nach Verfeinerung von Körper und Geist. Der Kult um die Jugend, der sowohl in militanten wie in pazifistischen Kreisen in der Zeit um 1900 blühte, beflügelte dieses Ideal des zarten Mannes. In den literarischen Figuren von Thomas Mann, Rainer Maria Rilke und Georg Trakl oder im Kreis um Stefan George finden sich in der Literatur zahlreiche Parallelen zu diesen ungewöhnlich sanften Männerbildern.

Bereits im späten 18. Jahrhundert kam es mit der Klassik zu einer Rückbesinnung auf die Antike und die Plastik der Renaissance. Bildnisse von Amor, Narziss, Pygmalion oder Ganymed als zarte Jünglingsfiguren erfreuten sich großer Beliebtheit in öffentlichen und vor allem auch privaten Skulpturensammlungen. Die moderne Skulptur löste sich jedoch von solchen narrativen Zusammenhängen und bot offener als zuvor Menschenleiber, die von einem inneren, wie äußeren Begehren durchdrungen sind. Das Entstehen eines bürgerlichen Kunstmarktes und die damit einhergehende neue Rolle der Künstler trug einer Pluralität der modernen Gesellschaft Rechnung, die sich auch in den gewählten Themen niederschlug. Die zarten Männer von Hildebrand, Minne und vielen ihrer Zeitgenossen versinnbildlichen ein Erwachen, begegnen jedoch ebenso einem virulenten Zweifel an ihrer Zeit. Georg Kolbes Denkmalsentwürfe zum Ersten Weltkrieg zeigen nicht Krieg und Verwüstung, prangern nicht das Elend an, sondern würdigen die in der Realität oftmals noch fast jugendlichen Opfer und bieten ihren trauernden Familien Andachtsbilder von überirdischer Schönheit. Lehmbrucks „Gestürzter“ von 1915/16 markiert in vielfacher Hinsicht einen Wendepunkt in der Körperauffassung moderner Skulptur – darüber hinaus jedoch auch in ihrer Haltung zu den Umständen der Zeit, in deren Kontext sie gesehen werden muss. Danach erscheint die schönlinige Darstellung des unversehrten Körpers angesichts der Zeitumstände mindestens weltabgewandt, wenn nicht sogar anachronistisch oder reaktionär. Mit Werken von Herrmann Blumenthal, Joachim Karsch, Gerhard Marcks oder Renée Sintenis formierte sich jedoch eine neuere Bildhauerei, die das Verletzliche, teils innerlich wie äußerlich Verletzte, in ihren sanften Körperkonzeptionen mitdenkt. Erschütternd sind die Beispiele aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, in der die geforderte Weltordnung endgültig keinen Platz mehr für die Zögerlichen, die Zaudernden und die Zweifler vorsah.

Die Ausstellung umfasst Werke von Bildhauern aus drei Generationen. Die darin vermittelten Männerbilder stehen teils in herbem Widerspruch zur äußeren Wirklichkeit und ihrer kanonisierten Geschichtsschreibung, gleichzeitig zeigen sie die Vielfalt moderner Geschlechterrollen, die Ausdruck einer bis heute aktuellen Emanzipationsgeschichte sind.

https://www.georg-kolbe-museum.de/?p=14648

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