Magazin

Strategie der Widerstandsfähigkeit

Grundlagen, Negierungen und Fortbestehen in der italienischen Skulptur der jüngeren Generation.

In den vergangenen Jahren standen die theoretischen Überlegungen zum zeitgenössischen Problem der Identität, in all ihren Formen, im Fokus des Interesses.

Hatten sich in den 1990er-Jahren und am Beginn des 21. Jahrhunderts die theoretischen Überlegungen zur Identität, auf das Verhältnis zum Körper und auf genetische und digitale Veränderungen konzentriert, so waren die letzen zehn Jahre von einer starken Unsicherheit bezüglich der nationalen Identität, als sprachliche und kulturelle Eigenheiten eines Volkes und eines Staates geprägt.

IB-Alberto-Gianfreda-Via-lattea_-2013-LR_f790249264.jpg
Alberto Gianfreda Via lattea, 2013

Es ist kein Zufall, dass nicht nur Kunst-, sondern auch Architekturausstellungen und Publikationen diese Überlegungen weiterentwickeln Der Prozess der Absorption nationaler Identitäten, der im frühen 20. Jahrhundert begann, als im Namen der Moderne Künstler ihre Landessprachen opferten und so einen Prozess der Auslöschung der Charakteristiken eines jeden Landes ausgelöst hatten. Diese Fragen sind für die Skulptur, die einzige Kunstdisziplin, die wahrhaftig zwischen Malerei und Architektur bestehen kann, absolut zentral und sinnvoll. Wir werden überschwemmt von Ausstellungen, die den Schmelztiegel der Globalisierung, der Multikulturalität und die Hybridisierung aufzeigen und auf simple Formeln bringen.

In meinem Land Italien sind diese Fragen brandaktuell, aber nicht neu. Wir konnten nicht von Made in Italy oder italienischer Kunst und Kultur sprechen, ohne über Karawanen, Reisen, Austausch und Überschneidungen zu sprechen.

Jedoch habe ich mich, um diese Themen näher zu beleuchten entschieden, diese Fragen aus einer entgegengesetzten Perspektive anzugehen. Ich bin daran interessiert zu prüfen, was heute in den jeweiligen Forschungsgebieten eines einzelnen Bildhauer’s passiert, als präzise und definierte Identität, die in einem geo-historischen und kulturellen Kontext in ständige Neudefinition mündet.

Was sind heute die Grundlagen bildnerischer Forschungen? Was bleibt? Was ging verloren? Was wurde transfomiert? Welche Kräfte, sind das, die Widerstand leisten und sich gegen den skulpturalen Prozess – von der Konzeption bis hin zu Form widersetzen? Und: kann man noch von Form sprechen?

Widerstandsfähigkeit heißt, in seiner allgemeinen Bedeutung, ein Gleichgewicht nach der Veränderung zu finden. Es beansprucht einige Mühe. Welches ist der Weg der Rückkehr für die Skulptur? Auf was geht die Skulptur zurück? Wie wurden ihre Grundfesten in Frage gestellt? Macht Skulptur an ihrem Entstehungsort noch Sinn? Die Widerstandsfähigkeit wird zur Strategie für die zeitgenössische Skulptur: die höchste Bruchstelle, von beiden Themen, die vorher bestanden: die nationale Identität, und dem undifferenzierten und flüchtigem Schmelztiegel.

IB_Silvia_Hell_Marchese_II_-_A_Form_of_History_-_Italy__2011_8ec7325fac.jpg
Silvia Hell Marchese II - A Form of History Italy, 2011

Auch die Materialien sind auf dem Prüfstand: die Bildhauer, die ich nenne, haben diese ausgewählt, weil sie deren Identität verkörpern und sie mit der Kultur des Ortes, zu dem sie sich zugehörig fühlen, verorten. Ihre Forschungsarbeiten zeigen, dass die Widerstandsfähigkeit eine Strategie ist, mittels derer man zur Welt und deren Komplexität durch die Themen der Geschichte, Raum, Zeit und des Menschen sprechen kann. Der Diskurs wird komplizierter, wenn wir die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung und des Kurators berücksichtigen, die sich mit einer anderen, schwer zu verstehenden, Strategie konfrontiert sehen: die Grundlagen jeder einzelnen skulpturalen Forschungsarbeit werden in einem Verhältnis von Geben-und-Nehmen -Verlieren-und-Finden vermengt. Auf diesem Verhältnis basiert die unendliche Geschichte der Kunst.

Die Kuratorin hat die folgenden Künstler ausgewählt, deren Werk die beschriebenen Vorstellungen zur Skulptur veranschaulichen:

IB_Francesca_Pasquali_White_Straws__2011_0ea30fef94.jpg
Francesca Pasquali, White Straws, 2011

Francesco Arecco (Gavi-Alessandria, Italien, 1977)
Alberto Gianfreda (Desio-Monza Brianza, Italien, 1981)
Marco La Rosa (Brescia, Italien, 1978)
Francesca Pasquali (Bologna, Italien, 1980)
Daniele Salvalai (Iseo-Brescia, Itallien, 1979)
Valentina De' Mathà (Avezzano, Italien, 1981)
Laura Renna (San Pietro Vernotico, Brindisi, Italien, 1971)
Silvia Hell (Bolzano, Italien, 1983)

Ilaria Bignotti

Ilaria Bignotti hat zur "Kunsttheorie und Geschichte" an der Universität IUAV in Venedig promoviert.
Sie ist Gründerin und Kuratorin der Kunst- und Kulturbewegung „Resilienza italiana“.
Sie wurde zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der "Associazione Paolo Scheggi", Milano berufen.
Sie ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von "MoRE Museum-museum for refused and unrealised art projects".
Sie arbeitet mit der Forschungseinheit "Teoria delle immagini " der Universität IUAV in Venedig zusammen. Sie forscht an der Fakultät für Kunstgeschichte, Literatur und Gesellschaft an der Universität Parma.
Sie lehrt "Neueste Tendenzen in der visuellen Kunst" und "Zeitgenössische Kunstsprachen " an der Akademie der bildenden Künste "Santa Giulia " in Brescia.
Sie arbeitet als freie Kuratorin für Galerien, Stiftungen und Museen in Italien und im Ausland, darunter die Sammlung Guggenheim in Venedig; das Zentrum für Zeitgenössische Kunst "Luigi Pecci" in Prato; das Kunstmuseum der Stadt Ravenna; Pav-Parco Arte Vivente , Zentrum für Zeitgenössische Kunst, Turin; die Bevilacqua La Masa-Stiftung in Venedig; Orestiadi-Stiftung, Gibellina; das Museum "Santa Giulia" in Brescia; das Italienische Kulturinstitut in Hamburg; die Galerie für Moderne und Zeitgenössische Kunst "Palazzo Forti" in Verona.
Seit 2008 ist sie Kuratorin und Tutorin für den "Premio Arti Visive San Fedele ", Milano.
Wenn Sie Ilaria Bignotti kontaktieren möchten, schreiben Sie bitte an  info@sculpture-network.org

Galerie

Zum Anfang der Seite scrollen