Magazin

Wenn Wände sprechen könnten…

Unser Dialogue „Architectural Healing“ im Gefängis De Koepel in Haarlem ging unter die Haut. In dem alten Panopticon-Bau haben Künstlerinnen und Künstler versucht, Antworten auf die beinahe unaussprechlichen Fragen zu finden, die ein solches Gebäude an uns Hinterbliebene stellt. Einige Eindrücke.

Der erste Eindruck, wenn man das alte Gefängnis De Koepel in Haarlem betritt, ist ein bedrückender. Die Wände scheinen vor Emotionen zu triefen, Verzweiflung hallt förmlich von den niedrigen Decken wider. Der Bau aus dem Jahr 1901 war eines der wenigen Panopticon-Gefängnisse, die von dem britischen Philosophen und Sozialreformer Jeremy Bentham zu einem einzigen Zwecke entwickelt wurde: Kontrolle. 

DSCF0988.jpg
De Koepel in Haarlem. Foto: Jacqueline Bohlmeijer

 

Benthams Pläne für solche Bauten stammen bereits aus dem späten 18. Jahrhundert, erwiesen sich aber als kaum realisierbar. Seine Idee war, ein Gebäude zu schaffen, in dem alle sich aufhaltenden Personen zu jeder Zeit von einem einzigen für sie unsichtbaren Wachmann beobachtet und überwacht werden können. Heutzutage dank Überwachungskameras ein Leichtes, im 18. und 19. Jahrhundert jedoch eine architektonische Herausforderung. In Haarlem wurde sie mittels eines zentralen großen Turms gelöst, von dem aus die kreisförmig um ihn herum arrangierten Zellen im Blick behalten werden konnten.

DSCF0981.jpg
Ausstellungsansicht. Foto: Jacqueline Bohlmeijer

Beim modernen Beobachter löst allein diese Architektur ein Gefühl von Big Brother hervor. Diese emotional aufgeladene Atmosphäre war es auch, die Bastiaan Gribling magisch anzog: Der gelernte Architekt hat es sich als Kurator zur Aufgabe gemacht, besondere Gebäude mit tragischer Geschichte mit Kunst zu füllen und so mit der beklemmenden Vergangenheit zu interagieren. Seine Idee von Architectural Healing möchte vergangenes Unrecht und Leid in die moderne Wahrnehmung integrieren und sich damit versöhnen. Geschichte lässt sich nicht ausradieren, aber sie lässt sich bewältigen.

Bastiaans Führung unserer Gruppe durch die Ausstellung hinterließ ein ganz besonderes Gefühl: Die Zellen, die vormals Menschen komplett von der Außenwelt isolierten, sind jetzt von Kunstwerken bewohnt und wurden von uns Besuchern mit Leben gefüllt. Wir haben hier miteinander sprechen und uns ansehen können – ein Luxus, der den Gefangenen hier verwehrt blieb. Sie hielten sich 23 Stunden am Tag allein in ihrer Zelle auf; zu ihrer einen Stunde Ausgang mussten sie eine Maske tragen. Identitäten wurden förmlich ausgelöscht.

DSCF0957.jpg
Ausstellungsansicht. Foto: Jacqueline Bohlmeijer


Es ist keine schöne Ausstellung, die wir erleben, aber eine wichtige und emotionale: Die Atmosphäre, die uns zu Beginn noch zu erdrücken scheint, wandelt sich mit jedem Kunstwerk, das wir sehen. Bastiaan leitet nicht nur durch eine Führung, er leitet uns auch in unserem Bewältigungsprozess. Ein Gebäude wie De Koepel muss man bewältigen – und nichts kann besser dabei unterstützten als Kunst!  

Das Gefängnis von Haarlem wird übrigens im nächsten Jahr zu einer Bildungsstätte umgebaut. Seine Geschichte wird nicht vergessen werden, aber es wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Mit neuer Hoffnung, Licht und Leben. Architectural Healing hat sicher seinen ganz eigenen Anteil daran.   

DSCF0971.jpg
Ausstellungsansicht. Foto: Jacqueline Bohlmeijer    
DSCF0956.jpg
Ausstellungsansicht. Foto: Jacqueline Bohlmeijer    
20181110 Architectural Healing Marc Ruygrok Kom Ga Zit Sta De Koepel.jpg
Ausstellungsansicht. Foto: Jacqueline Bohlmeijer

Galerie

Zum Anfang der Seite scrollen