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Julia Phillips – Fake Truth und Shannon Bool – House of Oblivion

Der Kunstverein Braunschweig präsentierte vom 14.09. bis zum 17.11.2019 Werke der Künstlerinnen Shannon Bool und Julia Phillips. Beide Künstlerinnen zeichnen sich durch ihre vielfältige Arbeitsweise und ihr hinterfragen von Gewohnheiten aus.

 

Shannon Bool – House of Oblivion

In den Arbeiten von Shannon Bool steht die Wahrnehmung, die durch eine präzise Herangehensweise an soziologische, kunstgeschichtliche und räumliche Themen verbunden ist, im Vordergrund. Durch die Kombination verschiedenster Kunstformen, zeigt sie eine große Bandbreite an künstlerischen und handwerklichen Fertigkeiten, die interessante und detailliert gearbeitete Werke entstehen lassen. 

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Shannon Bool, Installationsansicht im Kunstverein Braunschweig, 2019, Foto: Stefan Stark

 

In der Ausstellung House of Oblivion im Kunstverein wurden einige ihrer vielseitigen Projekte präsentiert, die sich vor allem mit dem Unterbewusstsein beschäftigen. Dafür arbeitet sie unter anderen mit Verweisen auf Werke von Carlo Mollino, Mies van der Rohe und Le Corbusier. Ziel dabei ist eine kritische Auseinandersetzung mit vertrauten Blickwinkeln sowie dem kulturellen Zeitgeschehen. Bool lässt die BesucherInnen in ihren Werken etwas vertrautes wiedererkennen, irritiert sie jedoch auch gleichzeitig. Dabei sorgen vor allem ihre vielseitigen und kombinierten Praktiken für Verblüffung und Faszination. So zeigen ihre Fotogramme städtebauliche Entwürfe von Le Corbusier, die die Proportionen leicht bekleideter Frauenkörper ergänzen und sich wie selbstverständlich über dessen Kurven legen.

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Shannon Bool, "Entrata Reale", 2019, Foto: Stefan Stark  

Ihre  Arbeit Entrata Reale stellt hingegen eine verzerrte Nachbildung des Designbodens des Reality-TV-Stars Kris Jenner dar. Obwohl man bei der Installation nicht sofort an den Kardashian-Clan und deren regelmäßigen Instagram-Posts denkt, ist die Arbeit gelungen. Schon der erste Blick sorgt für Irritation und dafür, dass man sich mit dem Werk beschäftigt und es hinterfragt.

Shannon Bool absolvierte ein Studium an der Städelschule Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt und lebt heute in Berlin. Ihre Arbeiten sind zum Beispiel in der Sammlung des Metropolitan Museum New York und dem MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt zu finden. Mit House of Oblivion zeigte sie in Braunschweig ihre vielfältigen und aussagekräftigen Werke, die Bools Leidenschaft für Details und handwerkliche Praktiken deutlich zeigen. Während des Rundgangs durch die Ausstellung kamen besonders ihre vielseitigen Arbeitsweisen zur Geltung, sodass das Betreten jedes neuen Raums für Überraschung und Faszination sorgte.

Julia Phillips, "Witness I", 2019,  Glasierte Keramik, Kabel, Nierenmikrofone, Kontaktmikrofone, Lautsprecher, Kies,  Foto: Stefan Stark
Julia Phillips, "Witness I", 2019, 
Glasierte Keramik, Kabel, Nierenmikrofone,
Kontaktmikrofone, Lautsprecher, Kies, 
Foto: Stefan Stark

 

Julia Phillips – Fake Truth

Julia Phillips verarbeitet in Ihren Werken Psychoanalyse, Gender- und Postkoloniale-Debatten. Der menschliche Körper dient dabei als Gegenstand der zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen  Analyse. So formt sie aus Keramik feine Körperteile, die sie miteinander in Beziehung setzt. Auch für ihre Ausstellung Fake Truth in der Remise des Kunstvereins fertigte sie eine gelungene skulpturale Arbeit aus Keramik an. 

Die Installation Witness I – III wurde speziell für die Ausstellung im Kunstverein produziert und zeigte drei plastische Geschöpfe, die jeweils aus einem Hinterkopf und Lungenflügeln aus Keramik bestehen. Die BesucherInnen konnten einen Raum betreten, der mit Kies ausgelegt war und erblickten drei anonyme Wesen, die im Raum zu schweben schienen.

War man im ersten Moment vielleicht auch etwas zurückhaltend, funktionierte die Installation erst, wenn man mit einem mutigen Schritt auf die Wesen zuging. Geräuschvoll konnten sich die BesucherInnen dann über den Kies bewegen und die Skulpturen erkunden. Dabei antworteten diese bei jeder Bewegung der BesucherInnen mit Geräuschen, die einer  Atmung ähnelten und sich mit den Geräuschen der BesucherInnen auf dem Kies vermischenten. Ruhte der Besucher, ruhte auch die Skulptur und in dem Raum herrschte Stille. Durch die geformten Körperpartien im Raum und den BesucherInnen mit ihren individuellen Bewegungen entstand zwischen diesen ein interessantes Zwischenspiel, das faszinierte und seine gewollte Wirkung durchaus erzielte. Die BesucherInnen verspürten den Reiz sich zu bewegen und ein Echo von den Skulpturen zu hören sowie stehen zu bleiben und die Wesen voller Spannung anzuschauen. Schade war nur, dass die Ausstellung von Phillips aus nur einem Raum bestand und man nicht mehr von der Künstlerin sehen konnte.

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Julia Phillips, "Fake Truth", Installationsansicht im Kunstverein Braunschweig, 2019, Foto: Stefan Stark

 

Julia Phillps ist gebürtige Hamburgerin und lebt heute in Chicago und Berlin. Nach ihrem Studium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und der Columbia University New York City hatte sie eine Einzelausstellung am MoMA PS1. Außerdem wurde sie im Rahmen der Triennale des New Museum, NC und der 10. Berlin Biennale gezeigt. Fake Truth war ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland, die einen guten Einblick in das Schaffenswerk der Künstlerin lieferte.

 

Autorin: Julia Bros

Julia Bros studiert Kunst- und Medienwissenschaft und arbeitet gerade an Ihrer Bachelorarbeit. Sie sammelte praktische Erfahrungen im Bereich der Ausstellungsorganisation sowie der Öffentlichkeits- und Vermittlungsarbeit, absolvierte unter anderem ein Praktikum im Museum für Photographie Braunschweig und im Kunstverein Braunschweig und schrieb einige Artikel als freie Journalistin für die Salzgitter Zeitung.

 

Titelbild: Shannon Bool, Farnsworth Sampler, 2019, Foto: Stefan Stark

 


 

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