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Das Netzwerk wächst weiter…

start’19 in der Galerie De Kunstpraktijk in Veldhoven. Wie die Inhaberin Aurelia van der Burght zu sculpture network kam und was es auf ihrer Veranstaltung zu erleben gab.

Veldhoven – eine kleine Gemeinde westlich von Eindhoven in der Niederlande. Ein Gefühl ländlichen Ambientes mischt sich mit dem Metropolitan-Chic und all seinem Komfort. Vor der Tür der Galerie De Kunstpraktijk  werden wir bereits von einem start’19 -Plakat begrüßt. Durch das großzügige Schaufenster können wir erste Einblicke in die kommende Veranstaltung und ihre Kunstwerke erhaschen. Wir treten ein – in ein Kulturunternehmen ganz besonderer Art und als Gast einer Finissage eines ganz besonderen Kunstprojektes.

De Kunstpraktijk verbindet Galerie, Gästehaus und Atelier in Einem. Inhaberin Aurelia van der Burght, die viele Jahre als Ballettlehrerin tätig war, widmet sich seit 1993 der bildenden Kunst, auch in Form einer Lehrtätigkeit, und schuf mit ihrem Kulturunternehmen einen Ort an dem sie all ihre Aktivitäten bündeln kann. In der Galerie finden Ausstellungen mit immer wechselnden Künstlern statt und auch die Gästezimmer sind stets mit bildender Kunst geschmückt. Im Studio organisiert van der Burght inspirierende kreative Workshops für Gruppen und arbeitet darüber hinaus auch freischaffend. „Vergangenes Jahr kam ich über die start’18 Veranstaltung von Miet Air in Beer zum ersten Mal mit sculpture network in Kontakt. Ich entschied mich schließlich für eine Mitgliedschaft wegen der äußerst angenehmen Einführung in das Netzwerk an diesem Tag“, erzählt sie uns. „Dieses Jahr nahm De Kunstpraktijk zum ersten Mal als Gastgeber der Veranstaltung start'19 teil. Ich wollte herausfinden, was genau es ausmacht Gastgeber zu sein und was danach passieren würde. Es war eine großartige Gelegenheit die Finissage des Kunstprojekts OUR LEGACY mit diesem internationalen Fest dreidimensionaler Kunst zu verbinden. An diesem Tag will De Kunstpraktijk, ganz praktisch, im Bild ‚austauschen‘ und ‚verbinden‘.“
 

Inspiriert von archäologischen Ausgrabungen

 Start’19 in Veldhoven: Sektempfang,  links: Aurelia van der Burght,  rechts: Xandra Bremer, Foto: Cindy Woudenberg. 
Start’19 in Veldhoven: Sektempfang, 
links: Aurelia van der Burght, 
rechts: Xandra Bremer, Foto: Cindy Woudenberg. 

Wir starten mit einem gemeinsamen Frühstück. Nach einem Sektempfang vor der Videowand von sculpture network, erläutert uns Ehrengast und langjähriges sculpture network Mitglied Xandra Bremer die Besonderheiten der Organisation. Für die meisten Anwesenden ist es die erste Bekanntschaft mit sculpture network. Es folgen die Präsentationen der KünstlerInnen des Projektes OUR LEGACY  unter der Anleitung von van der Burght und Bremer. Mit dabei sind Anne-Marie van den Thillart, Cindy van Woudenberg, Lidwina Charpentier, Hetty de Boer-Blonk und Ine ter Bogt. OUR LEGACY ist inspiriert von archäologischen Ausgrabungen, die in Zilverackers, dem jüngsten Wohngebiet der Gemeinde Veldhoven, stattfanden. Im Zuge dessen wurden Gegenstände aus römischer Zeit gefunden, darunter auch zwei Dolien - sphärische Keramikfässer, die zu dieser Zeit zur Lagerung genutzt wurden. Das Dolium und seine Eigenschaften dienten dabei als Ausgangspunkt für die Überlegungen des Kunstprojektes und bildeten gleichzeitig ein Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft. So sollten auch die, im Zuge des Kunstprojektes, geschaffenen Kunstwerke die Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft verbinden. OUR LEGACY befasst sich daher mit der Frage, was wir künftigen Generationen von uns hinterlassen sollten. Beispielhaft dafür bleiben uns drei Werke ganz besonders im Gedächtnis.

Die Werke

Mit seinem Werk Contained (2018) widmet sich Geoff Salmon der Erhaltung von Industriebauten. Gebäude und Werkzeuge verlieren ihre Funktion und Bedeutung, wenn sich die Zeiten ändern, sodass niemand weiß, wofür sie ursprünglich verwendet wurden. Werkzeuge können entsorgt, die Gebäude abgerissen werden und man kann behaupten, dass sie unbrauchbar geworden sind. Aber gerade unsere industrielle und historische Vergangenheit gilt es für zukünftige Generationen zu erhalten. Indem wir es bewahren, betonen wir die Wichtigkeit des Ortes und seines Platzes in der Zukunft. Jegliche Gebäude sind ein bleibendes Erbe.

Geoff Salmon, Contained (2018); Kupfer, Farbe, Fliesenkleber, Holz; 105×60×50 cm;  © De Kunstpraktijk.
Geoff Salmon, Contained (2018); Kupfer, Farbe, Fliesenkleber, Holz; 105×60×50 cm; 
© De Kunstpraktijk.

 

Cindy van Woudenberg, Breath (2018); Reispapier (Xuan), Sumi-Tinte, Nylonfaden, Holz,  Metallgewebe; 115×115×50 cm; © De Kunstpraktijk.

Cindy van Woudenberg, Breath (2018);
Reispapier (Xuan), Sumi-Tinte, Nylonfaden, Holz, 
Metallgewebe; 115×115×50 cm; © De Kunstpraktijk.

 

Breath (2018) von Cindy van Woudenberg möchte wortwörtlich auf unsere Atmung aufmerksam machen. Etwas, was wir zuerst und zuletzt in unserem Leben tun. Die Qualität der Luft, die wir atmen. Der meditative Wert unserer Atemzüge. Die Atemzüge unserer Vorfahren und die Atemzüge zukünftiger Generationen. Auf jedem Blatt Reispapier befindet sich ein Hauch, bestehend aus Einatmen und Ausatmen. Wie in der Tradition von Sumi-e üblich, wird die Tinte für die mentale Vorbereitung der Arbeit gerieben. Mit Vorsicht wird der Pinsel mit der Sumi-Tinte gefüllt, bevor Sie zur Arbeit gehen. Ohne einen vorgefassten Plan folgt der Pinsel auf Papier der Inspiration und der Ausatmung. Jeder Atemzug wird durch den vorherigen Atemzug und die entsprechenden Atemzüge beeinflusst. In dieser Installation hängen 58 Atemzüge in kreisförmiger Form. Alle Atemzüge hängen in der Reihenfolge, es wird kein Atem weggelassen, auch die Atemzüge, die nicht so „herausragend" waren. Man gibt seinen eigenen Atemzügen nicht immer ein Werturteil. Die Installation hängt und bewegt sich mit Luftströmungen, die im Raum vorhanden sind. So gesehen scheint die Arbeit selbst zu atmen.

In den großen Acrylgemälden von Aurelia van der Burght, wie etwa ihrem Werk Roots (2018) ist nicht auf den ersten Blick klar, was wirklich zu sehen ist. "Darum geht es", so van der Burght, "Oft wird erst nach einiger Zeit etwas klar werden, anfangs hat der Betrachter keine Ahnung, worauf er schaut oder was los ist." Für dieses Gemälde wurde van der Burght von historischem Holz aus römischen Brunnen der Ausgrabungen bei Zilverackers inspiriert.

Aurelia van der Burght, Roots (2018); Acrylfarbe auf Lappenpapier; 230×125 cm;  © De Kunstpraktijk.
Aurelia van der Burght, Roots (2018); Acrylfarbe auf Lappenpapier; 230×125 cm; © De Kunstpraktijk.

 

Über den Tellerrand hinaus

Im Anschluss an die Präsentationen ergeben sich interessante Diskussionen zu den Themen: 

  • Wo kann ich an einem erschwinglichen „Artist in Residence“ teilnehmen? 
  • Frei dem Motto von John Cage: „Um sich inspirieren zu lassen, ist es nicht notwendig zu reisen, man kann es auch in der Nähe finden oder wenn man aus dem Fenster schaut.“ 
  • Eine Erklärung meiner künstlerischen Arbeit: ist das wirklich notwendig oder lasse ich der BetrachterIn lieber ihren freien Lauf? 
  • Wie geht eine Galerie mit Social Media in Bezug auf die Arbeit von ihren KünstlerInnen um? Überlässt es eine Galerie ihren KünstlerInnen vollständig, wenn sie ihre Werke über Social Media veröffentlichen? Oder fordert die Galerie ihre KünstlerInnen auf, in dieser Hinsicht zurückhaltend zu sein? Werden darüber Vereinbarungen getroffen? Was wäre klug?

Den Abschluss der Veranstaltung, die sich ganz dem VERBINDEN und AUSTAUSCHEN verschrieben hat, bildet der Workshop 'the Power of Storytelling'. In ihrem Workshop bringt uns Hester Macrander sprachliche Übungen nahe, die sich zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewegen. Man könnte den Vorgang der Erzählung einer Geschichte mit der Schaffung eines Bildes vergleichen. Während man beobachtet was um einen geschieht, hört man gleichzeitig auf das was gesagt wird. Jedoch ist die Geschichte, die man schließlich selbst erzählt, eine andere als das Original, da man durch das visuell aufgenommene Geschehene seinen eigenen Anteil weitergibt. Auch hier geht es darum, sich miteinander zu verbinden und sich auszutauschen. Mit dem Ergebnis, dass einige TeilnehmerInnen wahrhaft einzigartige Geschichten erzählen konnten!

 

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Authorin: Claudia Thiel

Claudia Thiel ist Kunsthistorikerin und stellt ihre Fragen an das Fachgebiet gerne im journalistischen Stil.

 

 

 

Auf dem Titelbild: Julia Gubitz, "Kennung", 2018, Keramik mit Glasakzenten. 

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